NEUE WESTFÄLISCHE
Von Sammelwut und Regelflut
Alexander Neubacher und Christhard Läpple diskutieren über Umweltschutz
Muntere Diskussion
Gütersloh (NW). Wir reinigen geleerte Joghurtbecher, manche sogar in der Spülmaschine, bevor sie in den gelben Sack wandern – und später in der Müllverbrennungsanlage “thermisch verwertet” werden. Wir fahren im Sommer zum Ökomarkt in der Region, manche sogar mit dem SUV, um Bio-Äpfel zu kaufen – obwohl diese monatelang im Kühlhaus gelagert werden und die CO2-Klimabilanz damit im Vergleich zum Übersee-Import frischer Äpfel aus Neuseeland verheerend ausfällt.
Mit diesem kontraproduktiven “Ökofimmel” beschäftigt sich der “Spiegel”-Wirtschaftsredakteur Alexander Neubacher in seinem gleichnamigen Buch. Anlässlich des “begreen Day” bei Bertelsmann, einem Tag des Umweltschutzes, den der Konzern jährlich veranstaltet, war Neubacher Mittwochabend auf dem “Grünen Sofa” im Bambi-Kino zu Gast und diskutierte mit dem ZDF-Moderator Christhard Läpple über seine provokanten Thesen.
Vor rund 90 interessierten Zuhörern beließ es Neubacher dabei nicht beim Anprangern von Sammelwut und Regelflut. Er gab, pointiert wie charmant herausgefordert von Läpple, nur zu gern die in seinem Buch postulierten Thesen wieder, nach denen Biohöfe Lifestyle-Phänomene sowie Fortschrittsglaube und Umweltbewusstsein zwei Pole seien, die irgendwann begonnen hätten, auseinanderzudriften.
“Ich bin mit Waldsterben und Umweltkatastrophen groß geworden und habe meinen Kindern beigebracht, einen Zahnputzbecher zu benutzen, um Wasser zu sparen – selbst wenn es besser wäre, es laufen zu lassen. Die Umwelt rührt auch an mein Herz”, gestand der studierte Volkswirtschaftler ein. Dieses irrationale Verhalten sei jedoch nicht zuletzt einer gewissen ideologischen Verblendung der deutschen Bevölkerung in ökologischen Fragen zuzuschreiben, deren Ursachen Alexander Neubacher auch in der Interessenpolitik von Parteien und Verbänden sieht.
Immer wieder nahm der Journalist anschauliche Beispiele für ökologische Überreaktionen zur Hand, die man nun nicht mehr loswerde: teure quecksilberhaltige Energiesparlampen, E10-Benzin aus Mais, bunt bedruckte Einweg-Papiertüten im Supermarkt. Und was soll der Verbraucher denn angesichts dieses kollektiven “Ökofimmels” nun tun?, lautete die zentrale Frage, die das verunsicherte Publikum in der anschließenden Diskussion an den Umweltschutzskeptiker richtete. “Den Sinn für das Wesentliche wiederfinden und den Pessimismus ablegen, was den Fortschritt angeht”, empfahl Neubacher.