Brandenburg: Wahres Drama im Höllenloch

Brandenburg hat kein gutes Image. Und kein schlechtes. Es hat gar keins. Eine bundesweite Umfrage zeigt: Touristische Highlights kennen viele Menschen entweder nicht – oder verorten sie woanders. Dabei kann Brandenburg ungeheuer spannend und sehr dramatisch sein. Eine wahre Geschichte beschreibt der ZDF Journalist Christhard Läpple in seinem Buch „Soviel Anfang war nie“. Maria Ossowski hat mit Läpple gesprochen.

Das Dorf, um das es geht, heißt „Herzdorf“ im Buch. In Wahrheit handelt es sich um Netzeband bei Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin). Vor dem Mauerfall lag es am Ende der Welt an einer Straße, die nicht einmal asphaltiert war. Selbst die Einheimischen nannten es „das letzte Loch vor der Hölle“, ringsum lagen Sperrgebiete.

Anfang der 90er kam dann die „neue Zeit“ in Form von Abenteurern und Glücksrittern. Darunter auch ein Landschaftsarchitekt aus Düsseldorf, der das Dorf „komplett umkrempelte und daraus ein Theaterdorf machte“. Die Landschaft war weit – aber nicht unbedingt der Geist mancher Bewohner. Gescheitert ist der Mann dann am Gutspark. Der war seit 1945 mehrfach aufgeteilt und anderen Zwecken zugeführt worden – als Fußballplatz, als Schwimmbad oder als Festplatz. „Das gehörte den Leuten, den Dorfbewohnern.“ Der Landschaftsarchitekt wollte daraus ein „Licht- und Klanggartenprojekt“ machen – und darum wurde hart und erbittert gekämpft.

Die Beteiligten scheiterten

Grund für den Frust war auch der Strukturwandel seit der Wiedervereinigung. Die zwei Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG), früher ein großer Arbeitgeber, gab es nicht mehr. Die Arbeitslosigkeit nahm sprunghaft zu, gepaart mit Langeweile und Frust. Das führte zu tiefgreifendem Misstrauen gegenüber allem und jedem, was aus dem Westen kam.

Die Dramatik bei der Sache: vieles von dem, was der Landschaftsarchitekt damals erreichen wollte, wurde erreicht – unter anderem sorgt der Theatersommer Netzeband für überregionale Bekanntheit.

Nur er selbst ist komplett gescheitert: „Das ist wirklich eine dramatische Geschichte. Der Investor ging nach zehn Jahren in Konkurs. Er hatte seine Gesundheit und seine kompletten Ersparnisse geopfert, musste den Offenbarungseid leisten, seine Ehe war zerrüttet. Er hat das Dorf verlassen. Der zuständige Amtsdirektor saß wegen Amtsmissbrauchs und Willkür im Gefängnis. Und der Künstler, der das Projekt aufgebaut hatte, war tot. Mehr Drama geht eigentlich nicht.“

Widerstand vom „Roten Adel“

Immerhin ein kleines Happy-End gab es: der Landschaftsarchitekt und seine Frau fanden nach einer Phase der Trennung wieder zueinander. Die Marketing-Fachfrau aus den Niederlanden hatte sich in diesem kleinen Mikrokosmos nicht eingefunden. Beide sind inzwischen verarmt und leben von Hartz IV. Jetzt, erstmals, werden die Verdienste der Beiden zumindest ansatzweise gewürdigt.

Was das Ehepaar in der „Kampfzeit“ unterschätzt hat war der alte „Rote Adel“ aus Feuerwehrchef, Ortsbürgermeister, Kreisbauernführer und der alte LPG-Chef, der heute noch „der Herr“ heißt. „Die Leute legen heute noch die Hände an die Hosennaht, wenn er vorbeikommt.“

Das Bier schmeckt immer noch – oder wieder

Mit seinem Buch ist es ihm ein außergewöhnliches Kunststück gelungen: Sämtliche Beteiligten, die darin vorkommen, haben den Text autorisiert. „Das war eine riesige Herausforderung, weil der Verlag natürlich darauf bestand. Es gab die Sorge, dass es juristische Auseinandersetzungen gibt. Die Befürchtung war auch nicht ganz unberechtigt, weil ich halt sehr dicht dran war. Und jedes Dorf hat – wie jede Familie auch – seine Geheimnisse, die gut gehütet und hart umkämpft sind.“

Doch nach über einem Jahr habe er es geschafft, bei fast allen, bei denen ich es machen musste, die schriftliche Zustimmung zu erlangen. Bisher ist alles gut gegangen – ich darf auch wieder in die Dorfkneipe, bin dort sehr freundlich empfangen worden. Und das Bier hat wunderbar geschmeckt!“