Das Leben des André
Gegen die Zumutungen des Lebens versucht jeder Einzelne, sich auf vielerlei Weise zu wappnen. Mit Mauern, Trutzburgen, Therapeuten, Versicherungen, Rauschgiften oder Religionen aller Art. Oder man nimmt das Leben wie es ist. So wie André Herzberg. Schüler, Soldat, Musiker, Poet und seit kurzem Autor einer beeindruckenden Biografie. Seiner eigenen. Er nennt seine Geschichten Alle Nähe fern.
Der Großvater war deutsch-national. Der Vater streng kommunistisch. Und der Sohn? Er schlägt aus der Art, wird statt linientreuer Kämpfer für die Sache Sänger der Ost-Berliner Kult-Band Pankow. Nichts Vernünftiges also, scharf betrachtet durch die Brille der Väter. Herzbergs Familiendrama umfasst drei Generationen, zwei Weltkriege, dazu zwei Diktaturen und zwei deutsche Länder, die sich in inniger Hassliebe gegenüberstehen. Nur mit viel heiterem Trotz kann es gelingen den Widrigkeiten des Lebens zu widerstehen. Denn die Herzbergs sind eine jüdische Familie – und was für eine.
Der Ost-Berliner André Herzberg erzählt das Auf und Ab seiner Familie mit fremdgehendem Vater, strenger Mutter und ignoranten Parteistatthaltern leicht, locker und souverän. Da geht dann mal eben ein ganzer Staat unter. Und der Neue hält nicht, was er verspricht. Klar, das Leben kann bitter und gallig genug sein.
Herzberg überlegt: „Das bist du, du bist der Verlierer, weil du Jude bist. Man kann dich an deiner Nase und deinen Locken erkennen, so hat es mir Mutter beigebracht. Der verräterische Höcker muss weg, es sollte wie eine Stupsnase aussehen. Das Wort Jude hat ein Echo, das haben wir bis zur Vergasung gehört“. Wie der mittlerweile fast 60-jährige Pankower damit umgeht und das manchmal zum Verdauen nur noch einen Kurzer hilft, liegt auf der Hand. Wer Kummer hat, hat auch Likör.