Vom „Berliner Unwillen“
In wenigen Wochen feiert das neue Berliner Schloss offiziell Richtfest. Humboldtforum soll das 600-Millionen-Projekt ideologisch-unverdächtig heißen. Ab Mitte 2019 soll der Neo-Preußen-Palast eingeweiht werden. Auf leisen Sohlen schleicht die politische Elite um den kolossalen Neubau. Es heißt: Bloß keine schlafenden Hunde wecken. Nur in keine Fettnäpfchen stolpern. Vor allem: kein finanzielles und organisatorisches Desaster wie beim Hauptstadtflughafen produzieren. Nur kein: Berlin kann alles – außer Prestigebauten.
Der stille Ehrgeiz der Macher gilt der besten Adresse Berlins. Schlossplatz 1. Einige Jahrzehnte lang hieß der zentrale Ort der Stadt Marx-Engels-Platz. Was auffällt: Planer und Verantwortliche drängt es weder in Talkshows noch zu offenen Bekenntnissen in den Nachrichten. Das Schloss soll möglichst geräuschlos auf die Bühne der Republik gebracht werden. Getreu der Devise: Die Zukunft im Sinn – die Vergangenheit als Vorbild.
Der Schlossplatz war jedoch schon immer ein heiß umkämpftes und umstrittenes Gelände. Prunkbauten waren hier noch nie willkommen. Zudem: Keiner der Hohenzollern fühlte sich jemals im Stadtschloss wohl oder auch nur annähernd glücklich. Die Hausherren verflüchtigten sich lieber auf ihre Liegenschaften in Charlottenburg, Rheinsberg oder ganz besonders Sanssouci.
Schon im 15. Jahrhundert beim allerersten Schlossbau zeigten die widerspenstigen Berliner, was sie von den Plänen des damals regierenden Kurfürsten Friedrich II hielten. Nichts! Als der brandenburgische Markgraf, im Volksmund nur „Eisenzahn“ genannt, sein Prestigeprojekt durchdrückte, wurde der Bauplatz 1448 sogleich mit Spreewasser geflutet. Aufgebrachte Berliner verhafteten außerdem den Hofrichter Balthasar Hake und vernichteten alle Unterlagen.
Das Schloss wurde um einige Jahre verzögert, konnte aber letztlich nicht verhindert werden. Die Proteste der aufmüpfigen Bürger gingen als „Berliner Unwille“ in die Geschichtsbücher ein. Friedrich II, jener besagte Eisenzahn, erhielt sein Schloss am heutigen Platze. Das Schloss machte den hartherzigen Markgraf bei seinen Untertanen zu keinem Zeitpunkt beliebter. Aber diese Geschichte ist über fünfhundert Jahre alt. Und längst vergessen.