Halleluja
Die berührendsten Geschichten schreibt die Wirklichkeit. Sie finden nicht irgendwo statt sondern direkt hier bei uns. Vor unserer Haustür. In diesem Fall geht es um das somalische Ehepaar Aliyah und Rooble. Sie fliehen vor Krieg, Gewalt und Verfolgung. Von Mogadishu über Kenia, Sudan, durch die Sahara nach Libyen. Weiter übers Meer nach Lampedusa dann nach Dänemark und Deutschland.
Sie kommen ins Aufnahmelager nach Eisenhüttenstadt. Trotz zweier Fehlgeburten wird ihr Antrag 2014 abgelehnt. Schließlich sitzen sie in Berlin fest. Endstation: Neukölln. Die Abschiebung von Aliyah und ihrem Mann Rooble ist angeordnet. Alle Rechtsmittel erschöpft. Die Flugtickets für Italien sind für den 5. Mai 2014 gebucht. Aliyah und Rooble sind am Ende ihrer Kraft. Gewalt, Willkür und Misshandlung kannten sie. Jetzt erfahren sie ihre völlige Ohnmacht. Es herrscht das Prinzip Hoffnungslosigkeit.
Da erklärt am 30. April 2014 die Neuköllner Kirchengemeinde St. Christophorus überraschend. „Wir haben uns entschieden und nehmen am Donnerstag auf.“ Sie informiert ihren Bischof und organisiert ein Quartier in ihrem Gotteshaus am Reuterplatz. Draußen vor der Tür lautet Volkes Stimme: „Was wir in Jahrzehnten aufgebaut haben, lassen wir uns nicht von den Flüchtlingen kaputt machen.“ Oder: „Wir sind nicht bereit, unsere Aufklärung zu opfern“. Irgendwann kommt der Satz: “Das wird man doch noch sagen dürfen”.
Doch Lissy Eichert, die unerschrockene Pastoralreferentin und Pfarrer Kalle Lenz lassen sich nicht beirren. Ihr Team gibt den beiden Somalis Heimstatt und Hoffnung. Für die Kirchenleute lässt sich das Thema Massenflucht nicht mehr jenseits des Mittelmeers abschieben. Die katholische Gemeinde beruft sich auf ein afrikanisches Sprichwort: “Es ist schwer, jemanden zu wecken, der sich schlafend stellt”.
Während Alyah und Rooble mittlerweile im brandenburgischen Waßmannsdorf in einer ehemaligen NVA-Kaserne auf eine Entscheidung der Behörden warten, präsentiert der Heimathafen Neukölln mit Ultima Ratio ein überzeugendes Theaterstück auf der Basis ihrer Geschichte. Die neunzig Minuten verbinden mit wenigen Strichen Zeichnungen in Graphic-Novel-Art mit Stimmen aus Behördenschreiben. Es genügt ein alter Overhead-Projektor – und auf der Bühne die hinreißende Schauspielerin Tanya Erartsin. Beeindruckend.
Hingehen! Leonard Cohen. Hallelujah.