„Mach dich hübsch!“
Das weibliche Ohr in einer Nahaufnahme. Der Betrachter ist irritiert. Was soll das denn? Die Antwort: Hinsehen, zuhören, nachdenken. Die Fotoserie Ohren entstand in den Straßen von New York. Aus Alltäglichem Außergewöhnliches entwickeln. Das ist die Kunst der Isa Genzken. Schau genauer hin! Das ist ihr Motto. „Mach dich hübsch“, heißt nun ihre erste umfassende Werkschau, die jetzt im Berliner Gropius-Bau zu sehen ist. Sei ein weiblicher Narr, fordert sie. Setze die Welt neu zusammen. Und das tut sie.
„Ich wollte schon immer den Mut haben, total verrückte, unmögliche und auch falsche Dinge zu tun“, sagte die gelernte Bildhauerin einmal. Geboren 1948 in Bad Oldeslohe zählt Isa Genzken heute zu den einflussreichsten Künstlern ihrer Generation. Sie war Meisterschülerin bei Gerhard Richter und zwölf Jahre mit dem Malerpapst liiert. Sie erkämpfte sich als Frau in der Männerdomäne Bildhauerei ihren Platz. Still und bescheiden im Auftreten, aber direkt, kompromisslos und provokativ in ihren Arbeiten.
Sei frech. Akzeptiere keine Grenzen. Das sind so Isa Genzken-Sätze: „Ich verknüpfe gerne Dinge, die vorher zusammenhanglos dastanden. Diese Verbindung ist wie ein Händedruck zwischen Menschen.“ So präsentiert sie die Nofretete mit Sonnenbrille, einen Weltempfänger aus Beton oder das Röntgenbild ihres Kopfes mit Weinglas. Die Künstlerin im ungewöhnlichen Selbst-Porträt, als „Mona Isa“. Die Künstlerin rüstete 2007 den Deutschen Pavillon auf der Biennale ein, um den monumentalen Nazi-Bau zu karikieren. Das war ihr Durchbruch beim breiten Publikum. Sie nahm mit ihren Material-Collagen mehrfach an der Documenta in Kassel teil. Sie hat ein Faible für Alltagsgegenstände und Architektur. Hochhäuser beeindrucken sie.
Sehen. Verstehen. Denken. Dazu fordert Isa Ganzken den Besucher heraus. Bei ihr lohnt es sich wirklich genauer hinzuschauen. Nichts ist Zufall. Der zweite Blick ist komplexer und hinterhältiger. Sie zeigt die Welt hinter dem schönen Schein. So wurde sie Vorbild für ganze Künstlergenerationen. Seit dreißig Jahren gilt sie als „ewig zu Entdeckende“. Aber: Sie hat mit ihren 67 Jahren noch viel Dampf. Das kann man ab jetzt in Berlin erspüren. Denn, so die persönlich sehr zurückhaltende und stille Isa Genzken: „Jeder hat ein Recht auf ein Fenster mit Aussicht.“
Die Wahl-Berlinerin ist eine Meisterin der Maßstäbe. Sie verknüpft Volumen und Verhältnisse von Objekten zueinander. Ihre künstlerischen Wechsel zwischen Genres und Materialien haben möglicherweise verhindert, dass sie keine eindeutige Marke werden konnte. Ein Glücksfall! Denn sie ist nicht berühmt, aber ihre Kunst berührt. „Die vielleicht beste lebende Künstlerin der Welt. Ihre Kunst ist knallhart. Wie Glitzerfolie“, lobt die FAZ hymnisch. Machen Sie sich Ihr eigenes Bild!
Mach dich hübsch! Isa Genzkens Werkschau im Martin-Gropius-Bau in Berlin. Bis zum 26. Juni 2016.