Die doppelte Stadt
Wer sich das Wahlergebnis der Hauptstadt genauer anschaut, kommt zu einem naheliegenden Schluss. Berlin bleibt geteilt. Auch ein gutes Vierteljahrhundert nach dem Mauerfall. Grenzen teilen Ost und West, aber auch Wohlhabende und Abgehängte. Diese neue Trennlinie zwischen Toleranz und Offenheit einerseits und Abgrenzung und Protest andererseits verläuft exakt entlang der alten Mauer. In den meisten östlichen Bezirken erreichen AfD und Linkspartei zusammen klare Mehrheiten. Weiter westlich hingegen schwächelt die AfD während die FDP triumphiert. Dazwischen zerbröseln die Volksparteien SPD und CDU.
Alles Altlasten? Ist es das vielbeschworene Erbe von Mauer und Kaltem Krieg? Wer sich mit einfachen Antworten zufrieden gibt, braucht ab jetzt nicht mehr weiterzulesen. Für alle anderen lohnt sich der Weg zu einer Fotoausstellung im Willy-Brandt-Haus. Diese präsentiert zweimal Berlin, von zwei unterschiedlichen Fotografen aber mit einer Haltung. Der Ost-Berliner Fotograf Bernd Heyden zeigt den Alltag am Prenzlauer Berg von 1969 bis 1980. Sein West-Berliner Kollege Rainer König sammelt Berliner Fragmente aus der „Selbstständigen Einheit Westberlin“, wie die Westhälfte von Ost-Berlin offiziell genannt wurde.
Das Verblüffende. Beide Fotografen zeichnen mit faszinierend genauem Blick ein gemeinsames Panorama. Es sind Schwarz-Weiß-Bilder einer geteilten Stadt, die sich zum Verwechseln ähnlich sind. Präzise präsentieren die Bilder Momentaufnahmen aus dem Leben der Mauerstadt jenseits von Propaganda, Schönfärberei und Inszenierung. So entsteht das beeindruckende Gesamtbild einer untergegangenen Welt, in der Unterschiede zwischen Ost und West ineinanderfließen und so neue überraschende Einblicke ermöglichen.
Die Doppelausstellung im Willy-Brandt-Haus in der Berliner Stresemannstraße ist bis zum 22. November 2016 geöffnet. Eintritt frei. Personalausweis nicht vergessen.