Der wahre Dylan

Nun fügt sich alles. Der Meister verbreitet ewige Wahrheiten. Über Liebe und Schmerz, Hoffnung und Verlust. Dafür darf sich Bob Dylan in Stockholm den Nobelpreis abholen. Die Kultur-Verwerter-Maschine läuft auf Hochtouren. Martin Scorsese arbeitet an einem neuen Biopic. In Tulsa, Oklahoma, USA öffnet das Dylan-Archiv. Zwei neue Bücher erscheinen. Der 76-jährige Dylan selbst tourt mit seinem gerade erschienenen Album Triplicate rund um die Welt. Was für ein Dreiklang, was für eine Dreifaltigkeit! Gott, Vater und Erdensohn Bob Dylan.

Times, they are a changing. Höchste Zeit an einen seiner wichtigsten Vorbilder zu erinnern. Dylan Thomas. Er gab dem jungen Songwriter Robert Zimmermann den Namen Dylan. Er inspirierte und befruchtete den heutigen Nobelpreisträger. Dylan Thomas war ein begnadeter Lyriker des 20. Jahrhunderts, ein gefallener Engel, genialer Trunkenbold und Schürzenjäger.

 

Dylan Thomas. *27.10.1914- 09.11.1953

 

Der Poet aus Wales ist ein weltberühmter Unbekannter. Mit seinen Versen hat er unzählige Künstler beeinflusst: neben Bob Dylan, Igor Strawinsky genauso die Stones wie die Beatles. Die Schauspielerin Catherine Zeta Jones, selbst Waliserin, nennt ihre Produktionsfirma „Milchwald“. Van Morrison widmete ihm seinen Song „For Mr. Thomas“. John Cale „Velvet Underground“ vertonte seine Gedichte.

 

 

 

Sein wichtigstes Werk ist „Unter dem Milchwald“. Ein Spiel für Stimmen. Das Porträt einer kleinen walisischen Stadt im Frühlingserwachen. An diesem Stück hatte er zwanzig Jahre gefeilt.

„Anfangen, wo es anfängt: Es ist Frühling, mondlose Nacht in der Kleinen Stadt. Sternlos und bibelschwarz, die Kopfsteinpflasterstraßen still und der geduckte Liebespärchen- und Kaninchenwald humpelt unsichtbar hinab zur schlehen-schwarzen, zähen, schwarzen krähenschwarzen fischerbootschaukelnden See. Die Zeit vergeht. Horch, die Zeit vergeht.“

Die Vorab-Premiere seines Milchwaldes – eine szenische Lesung – wurde im November 1953 in New York ein Riesenerfolg. Das Team zog danach ins White Horse Tavern, eine Hafenarbeiterkneipe, in der reichlich der Lebens-Saft floss. Drei Tage später war der kleine Waliser mit der großen Fantasie tot. Dylan Thomas starb mit 39 Jahren in Greenwich Village, New York City, USA.

 

„Nur du kannst die Häuser schlafen hören, in den Straßen, in der langsamen, tiefen, salzigen, schweigenden, schwarzen bindenumhüllten Nacht.“

 

Der berühmte Theaterkritiker Friedrich Luft urteilte anlässlich der Uraufführung in Edinburgh im Jahre 1955: „Seine quellende Sprache senkt sich wie ein warmer Regen über eine Landschaft des Alltags. Und siehe, nun blühen die Kleinstadtfiguren, werden spektakulär, werden in all ihrer Spießigkeit interessant, rund, tragisch oder komisch.“

 

Unter dem Milchwald. Ein großes Kult-Stück im kleinen Netzeband.

 

Ab Ende Juni 2017 ist „Unter dem Milchwald“ wieder im kleinen märkischen Netzeband eine Autostunde nördlich von Berlin zu sehen. Seit 20 Jahren wird in einem wunderschönen Park das Meisterwerk von Dylan Thomas mit überlebensgroßen Puppen und noch mehr Leidenschaft gespielt. Ein Kult-Stück. Nicht verpassen.

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