Mein 9. November

Vor genau 28 Jahren ging ich morgens in die Redaktion. Wie immer. Abends war die Welt eine andere. So schnell kann es gehen, wenn sich ganze Systeme auflösen. Von heute auf morgen. Der 9. November 1989 war ein Urknall der allerfeinsten Sorte. Friedlich, fröhlich, ohne Fanatismus, Hass und Blutvergießen. Das Volk ging auf die Straße, zeigte seine Macht und … siegte. Wenn es eine Lektion gab, dann diese: Selbst die bestbewachtesten Mauern haben nur eine begrenzte Haltbarkeit. Die Berliner Befestigungsanlage stand genau 10.315 Tage. Dann war sie fällig.

 

DDR-Grenztruppen räumen in der Nacht vom 9. zum 10.November die Ostseite des Brandenburger Tores, nachdem einige wenige Stunden das Tor frei zugänglich war.  Foto: Andreas Schoelzel

 

Die Dokumentation „Die letzte Truppe und der Fall der Mauer“ entstand 2014, zum 25ten Jubiläum des Mauerfalls. Hier erzählten zum ersten Mal Angehörige der DDR-Grenztruppen aus erster Hand, wie sie diese Nacht am Brandenburger Tor erlebten. Ihre Lage? In den Medien verkündete SED-ZK-Mitglied Günter Schabowski umständlich verschwiemelt am Abend die Grenzöffnung. Tatsächlich erhielten die Soldaten von oben keinerlei Befehle mehr. Vor und hinter dem vermauerten Brandenburger Tor  – in Ost und West – versammelten sich immer mehr Menschen. Was tun?

 

Brandenburger Tor. Ca. vier Uhr früh. Grenztruppen haben sich das „Grenzgebiet“ Pariser Platz zurückerobert. Stundenlang hatten Berliner aus Ost und West einen „visafreien Grenzverkehr“ organisiert. Alle Fotos: Andreas Schölzel.

 

Es gehört zu den historischen Wahrheiten, dass die Grenztruppen in dieser Ausnahmesituation („Grenzalarm!“) kühlen Kopf behielten und eine Katastrophe verhinderten. Die Soldaten erwiesen sich in dieser Nacht der Nächte als nationale Armee des Volkes. In den entscheidenden Stunden wurden sie ihrem Namen gerecht: als NVA, als Nationale Volksarmee. Kein Schuss fiel. Die Mauer war innerhalb von wenigen Momenten Geschichte. Die 45 Film-Minuten sind auch diesen namenlosen Offizieren und Soldaten gewidmet, die  Befehle ignorierten und einfach dem vielzitierten gesunden Menschenverstand folgten.

Ein Glücksfall in der deutschen Geschichte.

 

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