Zufrieden?
Rundum froh und zufrieden? Na? – Wohl kaum. Wer ist das schon? In Bachs kleinem Choral heißt es kurz und bündig: „Gib dich zufrieden und sei stille in dem Gotte deines Lebens.“ Der Altmeister vertraute auf irdische Demut und eine höhere Instanz. Die meisten Menschen heutzutage haben andere Götter. Exklusive Clubs, Luxus-Resorts, hochgerüstete PS-Boliden oder andere Ersatz-Götter wie Gurus, Crystal Meth oder das Om-Mantra zur Selbstperfektionierung. Mit Bach ist kein Blumentopf mehr zu gewinnen.
Wie sieht die Welt Anfang 2018 aus? Hunger, Krankheit und Krieg sind zu Beginn des dritten Jahrtausend nahezu besiegt. Es ist gelungen, diese jahrtausendalten Menschheitsplagen „im Zaum zu halten“. Diese These setzt Yuval Noah Harari dem Medien-Mainstream entgegen, der nervös zwischen Verharmlosung und Übertreibung pendelt. In seinem neuesten Buch Homo Deus beschreibt der israelische Historiker folgenden Trend: Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte sterben mehr Menschen, weil sie zu viel essen und nicht weil sie zu wenig haben. 2014 waren mehr als 2.1 Milliarden Menschen übergewichtig, 850 Millionen litten an Unterernährung. 2010 starb rund eine Million Menschen an Hunger, drei Millionen aber an Fettleibigkeit.
Terror, Kriege, Kriminalität? Harari kontert: „Coca-Cola ist eine weitaus größere Bedrohung als al-Qaida“ und „Zucker gefährlicher als Schießpulver.“ Die Fakten: Mehr Menschen sterben an Altersschwäche als an ansteckenden Krankheiten. Mehr Menschen begehen Selbstmord als von Soldaten, Terroristen und Kriminellen zusammen getötet werden. Ob in Afghanistan Syrien oder anderswo. Tschechows Gesetz ist folglich für die meisten Erdenbürger längst außer Kraft gesetzt worden: Wenn im ersten Akt ein Gewehr an der Wand hängt, wird es im letzten Akt abgefeuert.
Nach Harari stirbt der Durchschnittsmensch „mit größerer Wahrscheinlichkeit, weil er sich bei MacDonalds vollstopft“ als etwa „durch Dürre, Ebola oder einen Terror-Anschlag “. Die Selbstmordrate sei zudem in wohlhabenden Ländern erheblich höher als in traditionellen Gesellschaften. Was folgt? Die letzten noch nicht erreichten Ziele seien das Streben „nach Unsterblichkeit, Glück und Göttlichkeit“. Google forscht konsequenterweise für das ewige Leben und verspricht in Zukunft den Tod zu besiegen.
Schöne Neue Welt. Der Traum von der Unsterblichkeit. Google Life Sciences macht es möglich und nennt sein Medizinforschungsunternehmen Verily. Hier ein Spot:
Was bleibt? Eine moderne parodoxe Wohlstandsfalle: Je wohlhabender die Menschen, desto unzufriedener sind sie. Harari: „Es bedurfte nur eines Stückes Brotes, um einem hungernden mittelalterlichen Bauern Freude zu bereiten. Womit aber macht man einem gelangweilten, überbezahlten und übergewichtigen Ingenieur eine Freude?“
An einem Schuppen auf einem abgewrackten Güterbahnhof hat der 87-jährige Berliner Aktionskünstler Ben Wagin ein Schild angenagelt. Dort steht: „Nicht der ist reich, der viel hat, sondern der wenig braucht.“