Alles wird besser
Die Erde ist eine Scheibe. Regen fällt nach oben. Der Dauerbeschuss mit schlechten Nachrichten, versagenden Eliten und um sich greifender Klimakrise macht uns offenbar ziemlich blind und taub. Die tägliche Schwarzmalerei der Angstmacher in Politik, Gesellschaft und Medien fördert tatsächlich Angst, Stress, Ohnmacht und am Ende die Sehnsucht nach einem starken Führer.
Die Fakten? Die Erde ist eine Kugel, die sich täglich aufs Neue dreht. Das heißt: Niemals zuvor lebten wir so lange und gesund, derart gut ausgebildet und sicher wie im Jahre 2018. Nur zwei Beispiele: Kindersterblichkeit hat sich in den letzten zwanzig Jahren halbiert. Die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben, nimmt weltweit weiter täglich um 137.000 ab. Um 1.4 Milliarden Erdenbewohner seit 1990. „Wir leben in der besten Welt aller Zeiten“, erklären Forscher und Statistiker. Wahrheiten, die wir nicht wahrnehmen wollen, weil es uns so gut geht? Weil wir uns über die letzten 1% auf der Wohlstandsskala bis aufs Blut streiten?
Zwei aktuelle Nachrichten aus unserem Alltag: „Immer mehr Menschen ertrinken“, hieß es in diesem langen heißen Sommer. Der ernste Vorwurf: Kinder lernen nicht mehr Schwimmen. Dies sei Folge geschlossener Schwimmbäder und fehlender Unterrichtsstunden. Die Statistik gibt das nicht her. 1970 ertranken 1.119 Menschen. 2017 waren es 404. Neun davon waren bedauerlicherweise Kinder. Jedes einzelne Kind ist eines zu viel. Keine Frage.
Beispiel zwei. Infolge von Neo-Liberalismus, Globalisierung und Digitalisierung leben immer mehr Menschen als Arbeitsnomaden. Sie seien gezwungen, ständig Arbeitgeber und Arbeitsplatz zu wechseln. Wie ist die Lage beim Jobkarussell? 1988 – vor dem Untergang des Real-Sozialismus und Aufblühen des Turbokapitalismus – war der deutsche Arbeitnehmer im Schnitt 10,2 Jahre beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt. 2013 waren es 10,6 Jahre. Neuere Zahlen liegen noch nicht vor. Vielleicht hat sich seitdem alles geändert? Die Statistik müsse noch gefälscht werden, argwöhnen nun Verschwörungstheoretiker.
Sehen wir nur noch schwarz? War früher alles besser? Die Pessimismus-Lücke öffnet sich vollends bei der Frage nach gefühlter und eigener Zufriedenheit. 83% der Deutschen meinen, die Unterschiede zwischen Arm und Reich seien ein „großes“ oder „sehr großes“ Problem. Aber nur 16% der Bundesbürger sind mit ihrer eigenen Situation unzufrieden. Sogar notorisch besorgte AfD-Bürger fühlen sich mehrheitlich persönlich nicht „benachteiligt“.
Leiden die Deutschen an Phantomschmerzen? Psychologen führen dieses Parodoxon auf die mediale Dauerregung der Empörungsgesellschaft zurück. Sie sprechen von einem Negativitätsbias. „Menschen nehmen Schlechtes per se stärker wahr als Gutes, erinnern sich mehr an Niederlagen als an Erfolge, beschäftigen sich mehr mit Kritik als mit Lob.“ Dieses Erbe der Evolution hilft uns wachsam bei Gefahren zu sein. Unsere Vorfahren hatten nur eine Keule. Der Säbelzahntiger hingegen scharfe Krallen, Zähne und mächtig Hunger.
Die Lösung? Nur noch gute Nachrichten verbreiten wie einst die Aktuelle Kamera der DDR? – Unsinn. Aber wir sollten wissen: Hassprediger und Heilsversprecher haben derzeit Hochkonjunktur. Sie behaupten lautstark es sei mal wieder Fünf vor zwölf. Das stimmt. Aber nur eine einzige Minute am Tag. Gott sei Dank.
„Vieles entwickelt sich zum Guten. Wir wollen es nur nicht wahrhaben“, sagen Zukunftsforscher. Für alle Skeptiker, Kultur-Pessimisten und Dramatiker Hirnfutter zum Weiterlesen.
Hans Rosling. Factfulness: Wie wir lernen die Welt zu sehen, wie sie wirklich ist.
Steven Pinker. Aufklärung jetzt.
Yuval Noah Harari. Homo Deus. Eine Geschichte von Morgen.