Make Bach great again
Leipzig im Frühjahr. Die Helden-Stadt von 1989. Die Messe-Metropole blüht auf. Wärmende Sonne. Zuversicht. Zuzug. Tüftler, Studenten, junge Familien wagen ihr Glück. In den Straßen innerhalb des Rings herrscht geschäftiges Treiben. Doch die Stadt ändert gerade ihr Gesicht. Wieder einmal. So wie vor dreißig Jahren – nach der Wende. Die Globalisierung drückt ihren Stempel auf. Schleichend, aber unübersehbar.
An der belebtesten Fußgängerzone, der Grimmaischen Straße, befand sich einst ein großer Buchladen. Heute? – Sitz von Vodafone. Smartphones statt Schiller und Ferdinand von Schirach. Ein paar Schritte weiter das Kino Capitol, einst zentraler Ort des Dokfilmfestivals. Heute? – Zalando Outlet. Eine ältere Leipzigerin schüttelt den Kopf. „Das Kino haben sie plattgemacht. Eine Schande.“ Einen weiteren Steinwurf entfernt der Thomaskirchhof. Der sympathische, gut sortierte Buchladen. Heute? – Coffee Shop Bigoti. Die Schaufenster sind verhängt. Ein Schild erklärt – Coming soon. Ein Plakat verspricht: „Coffee keeps me going until it´s time for wine.“ Ach so.
Ich drehe mich um. Wenigstens er ist noch da. Johann Sebastian Bach. Er steht weiter auf festem Fundament. Zu seinen Füßen Geburtstagsblumen. Ich bin erleichtert. Zu feiern ist Ende März sein 334. Geburtstag. Der Leipziger Thomas-Kantor mit seinen rund tausend Kompositionen hat noch Freunde, bleibt wohl ewig jung. Selbst Globalisierungsgewinner Google begeht diesen Tag. Bach First. Was schenkt der Suchmaschinenkonzern? – Ein Google Doodle Bach.
Bach im Internetzeitalter. Google hat ein aufwendiges Kompositionsprogramm entwickelt. Ein selbstlernendes System für den eigenen Hausgebrauch. Komponieren wie Bach – Do it yourself! Google-Programmierer haben den Algorithmus von 360 Bach-Original-Chorälen eingelesen. So kann jede(r) Bachfreund mit Hilfe künstlicher Intelligenz einen vierstimmigen Satz komponieren. Beliebig veränderbar. Auf Midi-Dateien speicherbar. Maschinen machen Musik.
Die Google-Generation aus Silicon Valley bezeichnet Bach als den größten Meister der Kompositionstechnik. Original-Ton Bach: „Alles, was man tun muss, ist, die richtige Taste zum richtigen Zeitpunkt zu treffen.“ Nun perfektionieren und globalisieren die Netzgurus aus dem 21. Jahrhundert den Mann aus dem 18. Jahrhundert – per Klick. Zu jeder Zeit, an jedem Ort. „Schönheit, Wahrheit, Hoffnung“ aus dem Rechner. Wer braucht da noch Buchläden, Kinos, Kirchen?
Happy Birthday – Johann Sebastian Bach 2019.