Marley auf Malta
Die Sonne knallt unerbittlich auf die kleine Felseninsel. Die Mauern glühen. Mittagszeit. Siesta. Niemand ist unterwegs in den Gassen von Valletta. Aus der Bar an der Ecke dröhnt der Meister. Bob Marley auf Malta. Could you be loved. Verdammt lang her. Sommer 1980. Als das Fernweh das Laufen lernte. Jedenfalls für mich. Mein erster Flug. Mit einer Linienmaschine von Air Malta direkt auf die winzige Insel umgeben vom Glitzern des blauen Mittelmeers. Sonne, Felsen, Meer. Wuchtige Kathedralen und stille Gassen. Linksverkehr und bunte Linienbusse. Fish and chips und der King of Reggae.
Und heute? Fern-Reisen ist nicht mehr. Oder noch nicht. Verreisen geht am besten im Kopf oder mit dem Finger auf der Karte, wie früher. Reisen wir also coronafrei in unsere Erinnerungen. Damals durfte ich bei maltesischen Freunden wohnen. Sie führten mich ihren Freunden wie eine Trophäe vor. „Look, Chris from Germany“. Außer ein paar deutschen Sprachurlaubern war Malta weitgehend unbefleckt vom Pauschaltourismus. 1980 feierten die Malteser mit viel Wumms und bunten Feuerwerken ihre katholischen Maria-Feste. Demonstrierten mit grünen Fahnen vor der mächtigen lybischen Botschaft, um die Freundschaft mit al-Gaddafi zu untermauern. Scheidungen waren verboten, während meine Gastgeber vom Auswandern nach Australien oder wenigstens nach London träumten.
Es waren drei herrliche Wochen. Bob Marley erklang aus jeder Musikbox, wurde auf jeder Party gespielt. Could you be loved? Ich kritzelte ein abgeschriebenes Liebesgedicht auf die Postkarte, um die Zeilen nach Berlin zu schicken.
“Ich will schlafen ohne ein Kissen.
Ich will essen ohne einen Tisch.
Ich ohne Dich, Du ohne mich,
das will ich nicht.
Du bist die Türklinke zu meiner Tür.“
Die knallbunte Malta-Karte mit meinen geborgten Liebesgedicht war viele Wochen lang unterwegs. Sie musste den beschwerlichen Weg über den Eisernen Vorhang antreten, bis sie schließlich in der Hauptstadt der DDR irgendwann bei meiner Liebsten eintraf. Eine Kopie habe ich in meiner Akte gefunden. Daher weiß ich noch von den Zeilen hinter die Mauer. Mein Dank an die aufmerksamen Genossen vom Sammelverein MfS.
Bob Marley war in diesen Malta-Wochen mein Gott. Der Mann mit den Rastalocken, dessen Vater ein weißer sechzigjähriger Plantagenaufseher in Jamaica war, der eine Affäre mit einer Achtzehnjährigen hatte. White Boy war Bob Marleys Spitzname in Jugendzeiten. Mit 21 jobbte er beim Autokonzern Chrysler am Fließband im US-amerikanischen Städtchen Wilmington/Delaware. Bevor er zur Ikone aufstieg, als Musiker, als Messias für viele Unterdrückte und King of Reggae. No woman, no cry. Stir it up. One Love, Don´t give up…
Bob Marley wäre in diesem Jahr 75 geworden. Er verstarb am 11. Mai 1981 auf dem Rückflug von Deutschland, wo er zur Behandlung weilte. Bei der Zwischenlandung in Miami brach er 36-jährig zusammen. Der Krebs besiegte ihn. Den Vater von zwölf Kindern, elf leiblichen und einem Adoptivkind. Doch seine Musik ließ ihn unsterblich werden. Sohn Ziggy (*1968) trat in die Fußstapfen seines Vaters und besingt nach wie vor den Buffalo Soldier oder interpretiert genial den Malta-Song von 1980 Could you be loved. Als käme der Marley-Hit gerade in der Mittagshitze aus der Musikbox von der Bar an der Ecke.