Auf dem Weg zur Diktatur des Coronats?
Ein mausgrauer Novembertag. Einst Feiertag, manchen noch als Buß- und Bettag bekannt. Rund um den Reichstag demonstriert ein vielköpfiger Haufen von Corona-Leugnern wütend und unverhüllt gegen ein neues Gesetz. Die Versammelten in Berlin, laut Polizeiangaben rund 7.000, vergleichen die Novelle des Infektionsschutzgesetzes mit dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933. Damals entleibte sich der Reichstag mit dem „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ selbst. Ein Akt der Gleichschaltung auf Betreiben der NSDAP, nur die SPD stimmte dagegen. Die KPD-Abgeordneten waren bereits verhaftet oder geflüchtet. Mit dem Ermächtigungsgesetz wurde die Weimarer Republik abgeschafft und der Führerstaat eingeführt.
Am Ende dieses trüben Novembertages ergibt sich folgende Bilanz: Eine symbolische Wasserschlacht am prominenten Ort direkt vor dem Brandenburger Tor. Zwei Wasserwerfer live-gerecht im Einsatz, die im Sprühmodus den harten Kern der Demonstration „beregnen“. Rangeleien, Pfefferspray, insgesamt 365 Festnahmen, zehn verletzte Polizisten und das schale Gefühl, wie sehr im aufgeladenen Treibhaus rund um den Reichstag Vernunft und Verstand außer Kontrolle geraten können.
Aber jeder Protest hat auch sein Gutes. In der S-Bahn zum Hauptbahnhof steigen Kontrolleure am Bahnhof Bellevue ein und posaunen ihr „die Fahrausweise biittte“. Ich krame in meinen Taschen und stelle verärgert fest, dass mein Portemonnaie mit der Umweltkarte im Mantel an der häuslichen Garderobe hängt. Mist!
Ich überlege kurz, entscheide mich, betont lässig zur Tür zu gehen. Mit gegenüber grinst ein Corona-Leugner mit Mundschutz auf dem in schwarzen Lettern „Diktatur“ steht. Eigentlich würde ich ihn gerne fragen, warum er die Diktatur in seinem Gesicht trägt. Und ich überlege, ob es sinnvoll wäre, ihn zu fotografieren, um zu zeigen wie sich Anti-Corona-Demonstranten präsentieren. Wie sehr sie sich verrannt haben oder verwirrt sind, denn in keiner Diktatur der Welt könnte eine solche Meinungsäußerung länger als eine Viertelstunde offen zur Schau gestellt werden.
Doch die Kontrolleure kommen bedrohlich näher. Allerdings sind die mitreisenden Anti-Coronisten äußerst diskussionsfreudig und verwickeln die kräftigen Kerle in Gespräche. Das seien doch reine Schikanen, gerade jetzt zu kontrollieren. Sie wollten wohl freie Menschen an ihrem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung hindern. Ein lebhafter Disput entwickelt sich. Währenddessen rückt die nächste Station näher und kann rechtzeitig erreicht werden. Geschafft! Glück gehabt.
Ich steige erleichtert aus, atme kräftig durch. Auf allen Ebenen des Hauptbahnhofs patrouillieren schwerbewaffnete Polizeistreifen. Aus der Ferne sind Rufe zu hören. „Widerstand“ und „Wir sind das Volk“. Berlin, Mitte November 2020.
Es geht auch anders. Zusammenhalt in Zeiten der sozialen Distanzierung.