Der Schatz von Krefeld
„Tableau No. VII“, „Tableau No. X“, „Tableau No. XI“ aus dem Jahre 1925 und „Komposition IV“ aus 1926 hängen akkurat in Reih und Glied an einer weißen Wand in Krefeld. Ein Quartett der Extraklasse von Piet Mondrian, dem Meister der Moderne. Der ganze Stolz des Kaiser-Wilhelm-Museums. Schätzwert rund 200 Millionen Euro. Dummerweise verklagen jetzt die Mondrian-Erben das NRW-Museum vor einem US-Gericht. Begründung: Der Schatz gehöre den Krefeldern nicht. Von wegen, kontern die Hausherrn. Die Bilder seien Ende der Zwanziger für eine geplante Ausstellung über die Moderne bereitgestellt und nach dem Krieg per Zufall “aufgefunden” worden. Bei dem Erbstreit geht es um sehr viel Geld. Ein lukratives Geschäft für Anwälte.
Was würde Pieter Cornelis Mondriaan, weltberühmt als Piet Mondrian, geboren am 7. März 1872 im holländischen Amersfoort dazu sagen? Vielleicht „Kunst ist Intuition“ und nicht Kunst ist ein Zankobjekt für Erbschleicher. Piet kam aus einfachen Verhältnissen. Der Vater war Lehrer, ein strenger Calvinist und immer missionarisch unterwegs, die Mutter häufig krank. Die fünf Kinder mussten früh allein klar kommen. Biografen meinen, dass Piet, der wie sein Vater Lehrer werden sollte, deshalb das Vertrauen zu Mitmenschen verlor. Er wurde ein Einzelgänger, unfähig zu festen Beziehungen. Anfangs flüchtete er in Landschaftsbilder.
1911 zog er wie viele aufstrebende Künstler nach Paris, ließ sich von Georges Braque und Pablo Picasso beeinflussen. In den Zwanzigern entwickelte Mondrian mit streng geometrischen Bildern seine eigene Handschrift. Er zählt zu den Begründern der abstrakten Malerei. Mondrian kombinierte das schwarzen Raster mit rechteckigen Flächen in den Grundfarben Rot, Blau und Gelb. So inspirierte er Bauhaus-Bewegung und Mode, Werbung und Popkultur. „Was will ich in meinem Werk ausdrücken? Schönheit auf der ganzen Linie und Harmonie durch das Gleichgewicht der Beziehungen zwischen Linien, Farben und Flächen zu erreichen. Aber nur auf die klarste und stärkste Weise.“
Doch der Meister der abstrakten Malerei musste Lehrgeld zahlen. Sein neuer Stil fiel bei den Zeitgenossen durch. Mondrian war so knapp bei Kasse, dass er überlegte, den Pinsel gegen einen Job im Weinbau in Südfrankreich zu tauschen. Doch er entschied sich für die Produktion von Blumenaquarellen, um über die Runden zu kommen. In seinem Pariser Atelier stand eine weiße künstliche Blume. Sie verkörpere die fehlende Frau, heißt es. Mondrian widmete sein Leben dem Wesentlichen – der Kunst.
In den Dreißigern stellte sich Erfolg ein und mit dem 22-jährigen Harry Holtzman auch eine lebenslange Freundschaft. Der Maler aus New York blieb ihm treu. Dessen Erben klagen heute auf Rückgabe der Krefelder Bilder. Die Nazis verboten seine abstrakten Werke. Mondrian gehörte 1937 zu den wenigen ausländischen Künstlern, die in der Ausstellung „Entartete Kunst“ in München diffamiert wurden. Kurz vor Kriegsbeginn zog Piet Mondrian nach London. Als deutsche Bomben auf die britische Hauptstadt fielen, flüchtete er im Herbst 1940 über den Atlantik nach Brooklyn. Anfang Februar 1944 erlag Piet Mondrian im Alter von 72 Jahren einer Lungenentzündung. Er hinterließ eine Welt in Rot, Blau und Gelb.
In Mondrians Geburtshaus an der Kortegracht 11 in Amersfoort/NL befindet sich das Museum Mondriaanhuis mit Bibliothek und Dokumentationszentrum.