Banksy. Season`s Greetings. 2018. Foto: BBC

Kunst auf Bewährung

Dezember 2018. Port Talbot in Wales. Plötzlich war der kleine Junge mit dem Schlitten da. Mit seiner Zunge versucht er ein paar Schneeflocken zu fangen. Doch er schnappt vergeblich. Es ist ein Ascheregen, der aus einer brennenden Mülltonne entweicht. Ein Grafitto auf einer Garagenwand. Season`s Greetings. Ein Weihnachtsgruß für die hart arbeitenden Malocher im walisischen Port Talbot. Eigentlich nicht der Rede wert, aber das Bild trägt die Handschrift des Kultkünstlers Banksy. Der Streetart-Sprayer bekannte sich zu seinem Werk. Das veränderte alles. Die Menschen pilgerten aus nah und fern nach Port Talbot. Freiwillig. Zur grauen Garage von Ian Lewis, der nebenan im größten Stahlwerk des Vereinten Königsreichs schuftet. So fiel ein wenig Glanz in die Arbeitersiedlung. Das Garagen-Graffito wurde zur Touristenattraktion.

 

Der Schneejunge. Banksy in Port Talbot, Wales. „Season´s Greetings“ auf der Garage von Stahlarbeiter Ian Lewis. Der Kunstmarkt spielte darauf verrückt. Foto: Wikipedia

 

Rasch erkannte der einheimische Galerist John Brandler seine Chance. Er kaufte den Schneejungen und ließ die besprühte Garagenwand in eine Halle der Stadt transportieren, um Banksy stolz einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren. Die digitalen Kunstjäger entdeckten das Werk und trieben den Wert des ausgestellten Wandgemäldes auf die stattliche Summe von einer halben Million Pfund (rund 600.000 Euro). Ende 2021 sollte der kleine Junge auf Ian Lewis-Stahlarbeitergarage nach London verkauft werden. Big Business. Banksy macht´s möglich. Das wurde dem 42-jährigen Einheimischen Michael Thomas zu viel. Er versuchte im vergangenen November den Deal auf seine Art zu stoppen. Thomas plante das Kunstwerk mit weißer Farbe zu übersprühen.

 

 

„Kunst ist für uns alle“, rief er. „Sie nehmen es weg, ein reicher Mann hat es.“ Der Banksy-Liebhaber wurde festgenommen. Er scheiterte mit seinem Versuch, Kunst zu retten, indem er sie zerstört. In der Verhandlung soll es sich der Richter nicht leicht gemacht haben, heißt es. Er hatte zu entscheiden: Gehört Kunst allen? Oder ist ein Banksy-Bild ein Stück Privateigentum? In Instagram-Zeiten eine Frage, die über viel Geld entscheiden kann. Der Richter verurteilte den Banksy-Attentäter schließlich wegen Einbruchs und Sachbeschädigung zu einer Bewährungsstrafe von 14 Monaten. In der Begründung meinte er: „Es kann gut sein, dass es nicht in Banksys Sinn war, dass das Gemälde Port Talbot je verlassen sollte.“

 

 

Was der weltberühmte aber weiter unentdeckte Banksy dazu meint, wissen wir nicht. Bekannt ist nur: Sein Werk Girl with Balloon, das bei einer Auktion öffentlichkeitswirksam geschreddert wurde, vervielfachte seinen Wert – durch den Akt der Zerstörung. Das Mädchen mit dem Ballon erzielte einen Verkaufspreis von 16 Millionen Pfund. Ach, hätte man den 42-jährigen Michael Thomas aus Port Talbot nur sprühen lassen. Vielleicht hätte er mit seiner „Rettet den Schneejungen“-Aktion im Namen der Kunstfreiheit mehr Glück gehabt. Ein neuer Banksy wäre entstanden und damit möglicherweise auch ein neuer Hype. Doch das ist sein Pech. Michael Thomas ist eben nicht Banksy. So muss er nun 12 Wochen elektronische Fußfesseln tragen, 1.200 Euro Schadenersatz zahlen und soll sich außerdem von Spraydosen fernhalten.

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2018 zauberte Banksy die Weihnachtsgrüße an die Garage von Ian Lewis in Port Talbot. Kurz zuvor hatte er bei Sothebys PR-wirksam sein „Girl with a Balloon“ schreddern lassen – mit wertsteigernder Wirkung. „Going, Going, Gone“ nannte er seine Aktion. Die Kunstwelt hyperventilierte. Das zerstörte Bild wurde im Sommer 2021 für 16 Millionen Pfund verkauft.

 

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