Breaking the Silence
Vor genau einem Jahr musste sich das Zohra-Frauenorchester in Kabul zurückziehen. Die Musikschule wurde geschlossen. „Ein Leben ohne Musik? Sinnlos“, sagt Zarifa Adiba. Die junge Dirigentin musste sofort flüchten, als die Taliban im August 2021 das Afghanische Nationalinstitut für Musik (ANIM) schlossen. Eine einzigartige Erfolgsgeschichte fand ein abruptes Ende. Wir berichteten im heute journal. Heute befindet sich in den Räumen der Musikschule die Kommandozentrale des Haqqani-Netzwerks. Das ist eine Organisation, die für die Sicherheit des neuen Regimes zuständig ist. Kurz vor Weihnachten letzten Jahres konnten 273 junge Musik-Schülerinnen und Schüler über eine Zwischenstation in Doha/Katar nach Portugal ausgeflogen werden. Afghanistans einzige Musikschule wurde gerettet und ist seitdem im Exil.
Symphony of Courage. Eine beeindruckende Doku über das Schicksal der Afghanischen Musikschule. Hinweis: Voice of America ist ein von der US-Regierung finanzierter Sender.
Aus der einzigen Musikschule Afghanistan ging Zohra hervor, das erste Frauenorchester in der Geschichte des Landes. Zohra eroberte von Kabul aus weltweit die Herzen, ob in der Oper von Sydney oder in der Carnegie Hall in New York. Das Frauenorchester wurde auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos gefeiert, in Berlin umjubelt und in Stockholm mit dem Polar Music Price, dem inoffiziellen Nobelpreis für Musik, geehrt.
Portugal gab den jungen Afghanen Asyl. Seit dem 14. Februar 2022 ist das ANIM-Institut im Exil wieder geöffnet. In Lissabon wird wieder musiziert, geprobt, gelacht und gemeinsam aufgetreten. Außer der portugiesischen Regierung unterstützen Daniel Barenboim und Sponsoren wie Spotify das Projekt. Die Afghanen sind ein musikliebendes Land. Die Taliban praktizieren als einziges islamisches Land der Welt ein totales Verbot für nicht-religiöse Musik. Nicht einmal der Iran oder Saudi-Arabien gehen derart rigide vor. Einer der Gründe sei das toxische Gebräu, das die Taliban für ihren speziellen Islam zusammenrühren. Ihr Kochlöffel ist die Kalaschnikow, so der Islamwissenschaftler Idris Nasser.
Die jungen Afghaninnen und Afghanen wollen musizieren. Sie sind motiviert und wagen im fernen Exil weiter zu träumen. Wird ein Neuanfang gelingen? Vielleicht sogar eines Tages wieder ein Konzert in der Heimat erklingen? Zarifa und alle aus der ANIM-Schule im Exil eint eine Überzeugung: Ohne Musik ist die Welt ein Irrtum. Ihr Leiter Dr. Ahmad Sarmast überlebte ein Attentat. Seine Botschaft: “Musik kann man nicht töten“.
Breaking the Silence ist ihre Botschaft. Wer hört sie noch?
Wer Kindern und Jugendlichen in Afghanistan helfen will, findet bei UNICEF eine passende und seriöse Anlaufstelle.