Caspar David Friedrich. Wanderer über dem Nebelmeer. 1817.

Trost

Wer schaut nicht manchmal verträumt in den Sternenhimmel? Wer sucht dort nicht nach Erleuchtung, Sinn und Hoffnung? Alles Hokuspokus, kontern Realisten. Aber wenn wir nicht mehr nach einem Sinn suchen, dann ist unsere Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben endgültig begraben. Es gibt Bilder, die strahlen. Bilder, die verzaubern und unsere Sehnsucht wecken. Caspar David Friedrich ist darin ein Meister. Er hat das gewisse Etwas, dieser urdeutsche Romantiker. Samuel Beckett nannte seine Werke die „einzig erträgliche Form der Romantik“. Walt Disney verkitschte seine Zeichentrick-Bambis im Caspar David Friedrich-Look. Nur Goethe konnte mit dem Maler aus Greifswald nichts anfangen. 1810 besuchte der Großdichter den Zeitgenossen Friedrich in seinem Dresdner Atelier. Der Dichter notierte ratlos in seinem Notizbuch, die Bilder seien ein „offenes Meer“. Fortan schickte Goethe die ihm zugesandten Bilder postwendend nach Dresden zurück.

 

Caspar David Friedrich. Zwei Männer in Betrachtung des Mondes. 1819/20. Öl / Leinwand, 35 x 44,5 cm. Staatliche Kunstsammlung Dresden. Inspiration für Becketts „Warten auf Godot“.

 

CDF wurde am 5. September 1774 in Greifswald geboren. Er starb am 7. Mai 1840 verarmt und vergessen in Dresden. Früh verliert er seine Mutter, danach seine Schwestern, mit dreizehn Jahren seinen Bruder Christoffer, der beim Versuch ihn zu retten selbst ertrinkt. Ein Trauma. Der junge Casper soll Kerzenzieher oder Seifensieder werden wie sein Vater, doch ihn fasziniert das Malen. Mit zwanzig Jahren beginnt er Malerei in Kopenhagen zu studieren, im Alter von 24 zieht es ihn nach Dresden. Dort bleibt er, um zeitlebens von der Küste zu träumen. Der pommersche Dickschädel züchtet Kanarienvögel und seine Neurosen. Mit über vierzig Jahren küsst er zum ersten Mal eine Frau. Die auserwählte Caroline Bommer wird sogleich seine Frau. Caroline über ihren Ehealltag: „Wenn er Himmel malt, darf man ihn nicht stören, das ist für ihn wie Gottesdienst.“

 

Mönch am Meer. Das Bild ließ Goethe 1810 ratlos werden.

 

Seine kreativste Phase hat der sonderbare Kauz bis 1835. In Dresden malt er seine heute weltberühmten Landschaftsbilder. Der Pinsel führt ihn in seine verlorene Kindheit, weiter zur frömmelnden Suche nach Gott und am Ende des Tages immer wieder in seine alte Heimat an die Küste von Pommern und Rügen. Im Alter von 51 Jahren attackiert ihn ein Schlaganfall, von dem er sich nicht erholen wird. Nach seinem Tod 1840 interessiert sich ein halbes Jahrhundert lang kein Mensch für seine Arbeit. Der Romantiker sei zu altmodisch, heißt es in der Kunstszene, einfach aus der Zeit gefallen. Erst mitten im I. Weltkrieg wird Caspar David Friedrich allmählich wiederentdeckt. Heute ist der arme Schlucker aus dem 19. Jahrhundert ein Superstar. Sein 250. Geburtstag im September 2024 wird vorab in Winterthur/Schweiz mit der großen Ausstellung „Caspar David Friedrich und die Vorboten der Romantik“ (bis 19.11.23) gefeiert. Weiter folgen große Ausstellungen in Hamburg (ab 15. Dezember 2023) und im kommenden Frühjahr in der Alten Nationalgalerie Berlin. Später gastiert CDF in Dresden, Greifswald und Weimar. Im Frühjahr 2025 soll der Mann aus Greifswald das Metropolitan Museum in New York erobern.

 

Caspar David Friedrich: „Einsamer Baum (Dorflandschaft bei Morgenbeleuchtung)“. Inspiration für Rainer Maria Rilke.

 

Caspar David Friedrich ist für Florian Illies der „Maler der Stunde“. Der Autor beschreibt in seinem neuen Buch „Zauber der Stille“ CDF als Erfinder der Sehnsucht und bringt seine Bilder auf einen genialen Punkt. „Er atmet zeitlebens Natur ein, um sie als Kunst auszuatmen.“ Wie auch immer. Kunst entsteht im Auge des Betrachters. Caspar David Friedrich kann Trost spenden. Weil er mein inneres Auge anknipst. Weil er mir Hoffnung auf eine heile und bessere Welt schenkt.

 

Selbstbildnis.

 

Kreidefelsen auf Rügen. Gemalt nach seiner Hochzeitsreise 1818.

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