Sterne am rumänischen Himmel

Gute Geschichten erzählen sich von selbst, heißt es. Klingt verlockend einfach, ist jedoch keineswegs so leicht. Für die heißen Sommertage kann ich eine spannende und vielversprechende Entdeckungsreise empfehlen. Ein Buch wie eine Einladung. Keines, bei dem man ohne Gangschaltung einen hohen Berg hinaufstrampeln muss. Wie heißt es?  “Das Pfauengemälde”. Die Reise führt nach Rumänien. Für viele ein Land irgendwo im Hinterhof Europas, unbekannt, verwegen, fremd. Das Karpatenland hat jedoch mehr zu bieten als die üblichen Netflix-Klischees von Pferdewagen, Bären, billigen Arbeitskräften, Kriminellen, Neureichen und Securitate-Finsterlingen.

 

Maria Bidian: Das Land ihres Vaters ist Rumänien. Aus dem deutschen Exil zurück, zieht er sich in eine einsame Hütte zurück.

 

Das Roman-Debüt von Maria Bidian erzählt eine Vater-Tochter-Exil-Geschichte. Maria Bidian sagt mir: “Rumänien ist ein sehr herzliches, wildes Land. Wo gerade sehr viel passiert. Wo sehr viel im Aufbruch ist. Wo viele Menschen weggegangen sind. Menschen wieder hingehen. Die Gesellschaft sich gerade sehr verändert. Auf einmal kommen sehr viele Menschen aus Indien, aus Sri Lanka. Ich habe vorher dort nie Zugezogene gesehen oder Ausländer, die dort arbeiten. Also da verändert sich gerade sehr, sehr viel. Es ist sehr spannend und die Menschen sind schon auch hoffnungsvoll. Sie bauen sich ihre Häuser und wollen sich irgendwie ein Leben wieder aufbauen. Und wollen dazugehören zu Europa.”

 

Maria Bidian (*1988 in Mainz) über ihre Romaheldin Ana: „Was sie eigentlich interessiert, ist dieses  Pfauengemälde. Für sie ist das etwas, was sie mit ihrem Vater in Verbindung bringt. Er hat immer davon erzählt, es gehört zu ihrer Kindheit, es gehört zu ihren Momenten mit dem Vater.“

 

Im Mittelpunkt des Romans: Die junge deutsche Filmemacherin Ana. Sie begibt sich auf die Suche nach einem Pfauengemälde, einem verschollenen Erbstück ihres Vaters Nicu. Als sie von seinem einsamen Tod erfährt, entdeckt sie ihren Vater, ihre eigenen rumänischen Wurzeln und eine Vergangenheit, die fortlebt. Nicu war im kommunistischen Rumänien eingesperrt, flüchtete ins deutsche Exil, nahm seine verlorene Heimat mit, blieb Wanderer zwischen den Welten. Ein heimatloser Intellektueller. Ana, die in Deutschland aufgewachsen ist, trifft nun in Transsylvanien ihre weitverzweigte, lebhafte Familie mit Onkel, Tanten und Cousins. Der Beginn eines turbulenten Kampfes um die Nutzung eines Familienhauses. Siebzig Jahre enteignet und verwahrlost, selbst Toilette und Rohre waren herausgerissen worden. Wem gehört das Rumänische Haus? Was soll damit geschehen?

Maria Bidian sagt in unserem Gespräch: “Es ist eine Familiengeschichte, in der es um Familie und Freundschaft geht, aber auch um Verlustüberwindung und Trauerüberwindung. Und natürlich um das Rumänien der letzten Jahre, das heutige Rumänien. Und das wäre mein Wunsch, wenn viele unterschiedliche Menschen diesen Roman lesen und für sich etwas herausholen und danach Rumänien mit anderen Augen sehen.”

 

 

“Nirgendwo ist der Sternenhimmel so schön wie hier”, hatte Anas Vater schwärmerisch seiner Tochter erzählt. Schöner als in Deutschland? Das wird nicht verraten, auch nicht, ob Ana am Ende das Pfauengemälde wieder in den Händen hält. Aber was es noch zu betonen gilt: Maria Bidian ist eine wunderbare, leicht zu lesende und dennoch literarisch anspruchsvolle Erzählung gelungen. Mit viel Gefühl, Genauigkeit und Tiefgang. Für eine Debütantin ein bemerkenswert starker Einstieg.

Maria Bidian. Das Pfauengemälde. Roman. Zsolnay. 2024

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