Inge Deutschkron. 1922-2022.

„Wo Freunde sind, da ist Heimat“

Die Berlinerin Inge Deutschkron wurde fast hundert Jahre alt. Alt werden sei keine Leistung, sagte sie manchmal, denn etwas anderes war ihr viel wichtiger: Sie überlebte die Nazis um sage und schreibe 77 Jahre, als sie im Frühjahr 2022 starb. Ihr persönlicher Triumph, betonte Inge Deutschkron. Denn die Hitler-Partei wollte sie und ihre ganze Familie ausrotten. Einfach nur, weil sie „jüdisch“ waren. Ihre Bindung an den Glauben? Fehlanzeige. Vater Martin, ein Sozialdemokrat und Träger des „Ehrenkreuz für Frontkämpfer“ im I. Weltkrieg wurde 1933 aus dem Staatsdienst entlassen. Er konnte im April 1939 nach England auswandern. Inge blieb mit ihrer Mutter Ella in Berlin. Die beiden Frauen mussten ab Januar 1943 untertauchen. Sie überstanden zweieinhalb qualvolle Jahre im Untergrund. Das war nur mit viel Glück und vor allem dank der Hilfe mutiger Menschen in acht verschiedenen Verstecken möglich. Nur 1.700 sogenannte „Illegale“ überlebten, von einst 160.000 Juden in Berlin.

 

Zum 90. Geburtstag von Inge Deutschkron. Heute Journal. ZDF 2012.

 

Nach dem Krieg fühlte sich die „Berliner Pflanze“ heimatlos. Sie zog nach Israel, schrieb ein Dutzend Bücher, darunter den Klassiker „Ich trug den gelben Stern“. Inge Deutschkron war es wichtig, gegen das Vergessen, das so bequem ist, mit Herz, Witz und Verstand anzugehen. Anders sein. Sich wehren. Nicht aufgeben, das war ihr Antrieb. Im Januar 1989 brachte das Grips-Theater mit ihrer Unterstützung das Stück „Ab heute heißt du Sara“ auf die Bühne.  Niemand konnte ahnen, dass diese Geschichte ein Riesenerfolg werden würde. 2001 kehrte Inge Deutschkron nach Berlin zurück. Ganzen Schülergenerationen erzählte sie vom Wunder des Überlebens und ihrer Überzeugung: „Auch in einer unmenschlichen Welt gibt es Menschlichkeit“. Das Grips-Theater wurde ihre kulturelle Heimat. In der Kantine sang sie nach den Vorstellungen mit dem Ensemble gerne fröhliche Lieder – bis tief in die Nacht.

 

 

An „Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ erinnert derzeit eine kleine Ausstellung in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in der Berliner Stauffenbergstraße. Bis 3. November 2024.

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