Zwischen allen Stühlen

„In der Heimat bin ich deutsch, hier ist Vater Staat enttäuscht“, beschreibt Zavet ihr Leben. Die deutsch-russische Rapperin sitzt buchstäblich zwischen den Stühlen. Wie so viele Migrantenkinder der zweiten Generation. Da hilft kein deutscher Pass, keine solide Ausbildung, keine regelmäßigen Zahlungen an die Rentenkasse. Die Wiege der Musikerin stand 1995 in Alexandroweskoje, im Oblast Tomsk im tiefsten Sibirien. Genau dort, wo deutsch-russische Mythen zu Hause sind. Kälte, Gulag, Weite und Wodka. Als sie zwei war, zogen ihre Eltern gen Westen. Aus der kleinen Eisprinzessin Elizaveta wurde in der fränkischen Kleinstadt Ansbach das deutsche Schulmädchen Elisabeth.

 

 

Ihre sibirische Heimat am anderen Ende des Putin-Landes kennt sie nur aus Erzählungen. Zavet sagt in einem Interview: „Leider waren wir seither nicht mehr dort, eher besuchen uns meine Verwandten hier in Deutschland. Meine ganze Verwandtschaft väterlicherseits lebt nämlich noch dort. Sogar unser altes Haus steht noch da. In meinem Musikvideo zu „Husky Augen“ haben wir sogar Originalaufnahmen davon mit reingeschnitten.“ Aus diesen zwei Welten baut die Sängerin ihre Songs. „Huskeys Augen“ erschien auf ihrem ersten Album 2023. Rap mit russischer Seele. Im Text heißt es: „Gestartet mit nichts, geboren in der Kälte. Mom und Dad wollten weg, weil die Zukunft nicht safe ist“.

 

 

Zuvor war sie aus dem kleinen Ansbach nach Mannheim gezogen. Ihre Hoffnung dort von und für die Musik leben zu können. An der Pop-Akademie wird sie abgelehnt, doch das Schicksal meint es gut. Warner Music erkennt ihr Talent und gibt dem Mädchen aus der Provinz eine Chance. Die Musikerin ist dank ihrer Eltern mit einer frühkindlichen Musik-Förderung seit dem vierten Lebensjahr ausgestattet. Später gibt Zavet ihren erlernten Bürojob auf, wird Vollzeit-Musikerin. Ein knallhartes Business voller Konkurrenz, Intrigen, Höhepunkten und Tiefschlägen.

Wie nahezu alle aus der Rapper-Szene beschwört sie das Lifestyle-Motto: „Authentizität“.  Echt sein. Cool sein. Sich nicht verstellen, bloß nicht verbiegen lassen. Ihr Künstlername Zavet ist eine Abkürzung aus ihrem russischen Vornamen Elizaveta. Das Wort steht im Russischen für Testament, Vermächtnis, Großmut oder Ratschlag. „Ich musste erst lernen, mich so nackig zu machen. Aber ich fühle meine eigene Musik mehr, wenn ich erzähle, was real ist.“

 

 

Mit „Etage 3“ ist ihr neues, zweites Album erschienen. Ein Musikkritiker wirft ihr mit scharfem Schwert „pubertäre Plattitüden“ vor, die „dem großen Wurf im Weg“ stünden. Zavet sucht tatsächlich ihren Platz in unserer satten und verwöhnten Gesellschaft. Als junge Frau, als Rapperin und als Deutsche, die im fernen Sibirien in der Eiseskälte geboren wurde. Es lohnt sich, ihr relaxt und unvoreingenommen zuzuhören.

 

Sie rappt sich durchs Leben. Zavet, geboren in Sibirien. Musikerin in Deutschland.

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