F*ck mich Finch
Wer kennt Finch? Fast alle Arme schnellen nach oben. Die 13- bis 15-jährigen Kids vom Gymnasium Strausberg II mögen ihn. „Der ist von hier! – Ein cooler Ossi, der sich nicht unterbuttern lässt. – Ein Unioner. – Super Texte“, lauten die Antworten. Ein Schüler durfte mit den Eltern zum Konzert. Gemeinsam mit 15.000 Fans in der ausverkauften Berliner Arena in Friedrichshain. Um Finch geht es auch beim Projekttag an einem ostdeutschen Gymnasium. In drei Workshops sollen Fragen zur Rolle der Mediennutzung von Literatur bis TikTok angesprochen werden. YouTube nutzen alle. YouTube hat Finch zum Star gemacht. Jetzt füllt der Rapper mit dem Ossi-Bonus die größten Hallen von Hamburg bis München.
Im Osten geht die Sonne auf. Für Finch ist das Programm. Als Nils Wehowsky am 13. April 1990 in Frankfurt/Oder geboren, ist er ein waschechtes Wendekind. In eine Welt im totalen Wandel zwischen Mauerfall und Einheit gelandet. Über Kindheit und Jugend sagt er: „Wir hatten wenig, aber wir hatten uns.“ Er macht eine Mechatroniker-Lehre, nebenbei schreibt er auf, was er sieht. Die ersten Textversuche schickt er seinem Deutschlehrer. Vor gut zehn Jahren wird aus Nils Finch Asozial. Sein Debütalbum Dorfdisko schlägt 2019 voll ein. Es geht um harte Jungs, große Sprüche und scharfe Bräute; ferner um Disko, Trabis, Softeis. Pfeffi, Fliesentisch und Vokuliha.
Finch Asozial macht seinem Namen alle Ehre. Ein Ost-Proll der Extraklasse. Reden frei Schnauze. Chauvi-Sprüche am Fließband. Kostprobe: „Fick mich Finch … „Aua. Es tut so weh. Bitte schieb ihn nur zur Hälfte rein.“ Seine Texte sind alles, außer politisch korrekt. Seinen Sound beschreibt er selbst als „Klamauk-Ballermann-Rap“. Ein wilder Ritt, gewürzt mit Rap, Rave, Techno und Schlagermusik zum Mitsingen. Finch provoziert, Finch polarisiert. Ist er ein Rechts-Rapper, der AfD-Parolen zu Texten verhackstückt? Oder ein Rebell, der für eine neue Wende im Lande steht? Egal. Der Mann hat Erfolg. Und wie!
Finch erntet steile Shitstorms aus allen Empörungsgemeinden. Für die Linken ist er zu rechts, für die Rechten zu links. Die Frauenrechtsorganisation Terre de Femmes bezeichnet ihn als „frauenfeindlich und sexistisch“. In der späten Corona-Zeit ändert Finch sein Image. Den Zusatznamen „Asozial“ streicht er. Nun mache er Texte ohne „Meldefinger“, betont er. Rassismus sei im Übrigen eine gesamtdeutsche Realität. Im Song Wenn du dumm bist, kritisiert Finch rechtes Gedankengut. Nach einer Parodie durch Künstler des rechten Labels NDS kündigte Finch an, seine GEMA-Einnahmen der linken Punkband Feine Sahne Fischfilet zu spenden.
Finch spricht offenbar vielen aus dem Herzen, die einfach so reden wollen, wie sie denken. Ohne Angst vor Tugendwächtern und Besserwisserei. Lieder wie „Liebe ist ein Wir-Gefühl“ oder „Ostdeutschland“ werden bei Live-Konzerten in Berlin oder Stuttgart tausendfach mitgegrölt. In Onkelz Poster heißt es: „Ich saufe mich ins Koma, an der Wand hängt mein Onkelz Poster. Anfang zwanzig, mit Leberzirrhose/Schuld sind die oben. Der Hass in euch/und ihr hasst uns … Ich wünsch’ mir meine DDR zurück.“
Nils alias Finch ist mittlerweile 35 Jahre, genauso alt wie die deutsche Einheit. Finch hat die DDR nie erlebt. Genau wie die Schüler in Strausberg und die große Mehrheit seiner Fans. Aber der Junge aus dem verschwundenen Drei-Buchstaben-Land hat ein gutes Gespür für Widerspruch und Zeitgeist. Seine Fans sind dankbar, übrigens in ganz Deutschland. Vielleicht auch deshalb, weil der Rapper für Eigensinn, Stolz und Selbstbehauptung steht – gegen „die da oben“.
