Serdar Somuncu.

Sein Kampf

Lachen ist schön. Andere zum Lachen bringen, noch schöner. Lachen als Beruf kann wunderbar sein. Aber Augen auf bei der Berufswahl! Eigentlich sind schlechte Zeiten beste Zeiten für Satiriker, Komiker, Kabarettisten, Zyniker und Comedians aller Art. Wenn es den Menschen mies geht, „mach Komödien“, meinte einst 1,2,3-Altmeister Billy Wilder. Serdar Somuncu ist so einer, der seit Jahrzehnten Menschen zum Lachen bringt, dass es einem im Halse stecken bleiben kann. In Istanbul geboren, in Nordrhein-Westfalen aufgewachsen, gibt er den furchtlosen, unbeugsamen „Quoten-Kanake“.

Wikipedia sortiert den Mann als Kabarettist, Autor und Regisseur ein. Studierter Schlagzeuger ist er auch. Die Bühne ist sein Leben, Provokation sein Geschäft. Motto: „Jede Minderheit hat ein Recht auf Diskriminierung.“ Als Macho-Türke mit großer Klappe legt er einen kometenhaften Aufstieg hin – dank Adolf Hitler. Jahrelang hat er „Mein Kampf“ unters Volk gebracht. Manchmal mit schusssicherer Weste und Polizeischutz, wenn er vor Neonazis den Führer durch den Kakao zog. Eines seiner Bücher heißt: „Der Adolf in mir!“ Somuncu 2020: „Mein Lebensthema ist die Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus; mit Faschismus, mit Propaganda und der Durchsetzung von Denkstrukturen, die destruktiv sind.“

 

Serdar Somuncu in seiner Rolle als Hassprediger „Hassias“. Foto: Sebastian Igel

 

Serdar Somuncu hat über hundert Theaterstücke inszeniert, darunter Kafkas Bericht für eine Akademie. Unaufhaltsam macht er wortmächtig Karriere.  Von 2016 bis 2023 moderiert er „Die blaue Stunde“ auf radioeins. Er tritt bei der „heute-show“ auf und ist bei n-tv als „So! Muncu!“ präsent. Seine Leib- und Magen-Rolle: Der Hassprediger „Hassias“ – ein Serdar-Worteigengebräu aus Messias und „GröHaZ“ –dem größten Hassias aller Zeiten. Sein Erfolgsrezept: Regierungen kommen und gehen. Hass bleibt.

Somuncu tritt in die Fußstapfen von TV-Kultfigur „Ekel-Alfred“. In Corona-Zeiten attackiert er „Ungesundheitsminister“ Lauterbach und stellt sich immer unverblümter auf die Seite der Ungeimpften. Plötzlich erhält der bekennende Antifaschist Beifall von rechts und Konflikte mit den sogenannten Mainstreammedien. Im September 2023 verkündet er sein Karriereende; da ist er 55 Jahre alt. Viel zu jung, um in Rente zu gehen.

Es wird stiller, die Bühnen kleiner. Provokationskünstler Somuncu feiert folgerichtig im Netz sein Comeback. Auf Instagram und YouTube präsentiert er sich als Kulturkämpfer gegen Wokeness und produziert platte Beschimpfungsvideos, besonders im Visier Frauen: Dunja Hayali sei eine „systemtreue Handlangerin“, Heidi Reichinnek „eine linke Klimperkiste, die schneller als ein Maschinengewehr“ spreche und Annalena Baerbock etikettiert er als „Anal-Ena“. Willkommen im tiefsten Souterrain der Satire.

Satire darf alles. Natürlich. Jedenfalls in einem freien Land. Doch für schale Sprüche wie: man dürfe hier nichts mehr sagen, gibt es keine Erfolgsgarantie. Plötzlich fühlt sich Somuncu „sanktioniert“, weil er nicht mehr „genehm“ sei. Der Hassprediger macht weiter, was er kann: Er teilt aus: gegen Ukraine-Präsident Selenskyj als räudigen, bettelnden Straßenköter“ und bezeichnet das Fernsehen als Scheinwelt. „Die Leute verstellen sich. Es ist asozial.“ Jeder Text werde minutiös geprüft. Das sei faschistoid. Er beklagt in einem neuen Podcast mangelnde Solidarität unter Comedians.

 

 

Was für ein Wandel. Der Mann, der punktgenau und schlagkräftig austeilt, inszeniert sich als Opfer, das beleidigt auf Kritik reagiert. Die lautet: Er mache mittlerweile alles für Applaus. Er liefere den Wütenden seine Wut, um Klicks zu generieren; seine Gags würden immer verbissener und ernster, er sei eine Art Mario Barth geworden. Humor unter Aldi-Niveau.

Menschen zum Lachen zu bringen, ist eine Kunst. Und Kunst ist eine ernste Sache, meinte einst der Urvater des subtilen und befreienden Humors, Karl Valentin. Sein Geheimnis? Ein Augenzwinkern. Was ist nur los mit Serdar Somuncu? Vom rotzfrechen Hitler-Imitator zum schwurbeligen AfD-Hofsänger? Als ich das letzte seiner vielen Wut-Videos gesehen habe, bescheren mir die YouTube-Algorithmen eine musikalische Überraschung. Weiter geht’s mit Tannhäuser von Richard Wagner. Danke KI, für diese herrliche Pointe zum Schluss.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.