Prosit Neujahr!
Am ersten Weihnachtsfeiertag stellte das ZDF folgende Frage online: Was ist vom US-Einreiseverbot zu halten, ausgesprochen für zwei Frauen der Plattform HateAid und einen ehemaligen EU-Kommissar für digitale Regulierung. Der Funke zum Frohen Fest verfing. Innerhalb weniger Stunden entflammten über dreitausend Kommentare zwischen Frühstück und Gänsebraten. Der Aufreger ging viral. Von Besinnung, Frieden und Versöhnung keine Spur. Statt „Oh, du fröhliche“ wurde um jedes Wort gestritten. Von Hexenjagd war die Rede oder von einer frohen Botschaft aus Washington.
Zwei unversöhnliche Lager bekämpften sich: heftig, zynisch und mit gezielten Tritten unter die Gürtellinie. Wer ist der Schulhofschläger? Wer, das verfolgte Unschuldslamm? Die beiden Positionen: Uneingeschränkte Meinungsfreiheit versus Verbot von Hass, Hetze und Verleumdung. Trumpisten versus Vertreter der liberalen Demokratie. Platz für Austausch, für Nachdenken oder Suche nach einer Lösung? Fehlanzeige! Zur Erinnerung: Es ging um ein Einreiseverbot für EU-Bürger in das Land von „Freedom of Speech“. Eine kurze Kostprobe aus der digitalen Feldschlacht:
- „USA wollen mit aller Macht ihren Faschismus in Europa durchsetzen. Europa muss harte Kante zeigen.“
- „Danke Trump. – Dinkel Dörte und Soja Sören kriegen Schnappatmung.“
- „Zensur erfolgt hier nur von Seiten der sogenannten USA. HateAid – ihr macht alles richtig!“
- „Was hast du denn getrunken? Wir werden seit über vier Jahren zensiert. Überwacht und gemeldet von diesen Figuren und Märchen werden verbreitet, die wir alle dann auch noch geglaubt haben.“
- „Die USA nehmen das mit der Meinungsfreiheit halt ernst. Eine Meinungsfreiheit, die staatlich festgelegte Grenzen hat, ist keine. Genauso könnte man auch behaupten, in der DDR habe es Reisefreiheit gegeben.“
- „Witzbold, Deswegen sind dort mittlerweile einige Bücher sowie Wörter verboten und unliebsame Journalisten haben keinen Zutritt zum Weißen Haus.“ – Ist es Meinungsfreiheit, wenn alle mit Trump einer Meinung sein müssen?
So geht es an den Weihnachtstagen munter weiter. Verbissen, unversöhnlich und offenbar auch unzensiert. Jede/r kann schreiben, was er/sie will. Das Lager der Einreiseverbote-Fans scheint aktiver zu sein. Ich frage mich: Was treibt die Menschen während der Feiertage an ihre Endgeräte? Langeweile, Überdruss, Frust und Wut? Tja. „Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke“, formulierte George Orwell in seinem großen Wurf „1984“. Weihnachten 2025 sind wir weiter. Vieles wird komplett verdreht. Im Trump-Lager ist pausenlos von Meinungsfreiheit die Rede – in gewollter Umkehrung, um am Ende des Tages die Unfreiheit durchzusetzen. Ängste und Vorurteile werden erfolgreich bewirtschaftet. Empörung verkauft sich besser als Information.
Ich war selbst einmal von einem Einreiseverbot betroffen. Im Herbst 1989 stand ich bis zur Nacht des 9. November 1989 als „feindlich-negatives“ Element auf der schwarzen Liste der DDR. Dann fiel die Mauer und alles war vorbei. Es bleibt nur zu hoffen, dass die aktuelle Mauer aus Ressentiments, Lügen und bizarren Verdrehungen bald in sich zusammenfällt. Mein Wunsch für 2026.

