Echt oder falsch?
Was ist richtig, was falsch? Was ist wahr, was sind Fake News? Wem ist in KI-Zeiten (noch) zu trauen? Überhaupt: Wie objektiv können Medien überhaupt sein? Berichten die Öffentlich-Rechtlichen wirklich fair und unabhängig? Fragen, die viele beschäftigen. Seit knapp einem Jahr reise ich mit kurzen Referaten, vielen Beispielen und ganz wichtig – langen offenen Gesprächen ohne gecastetes Publikum – durch die sächsische Provinz.
Jeder Auftritt ist ein Wagnis. Nie weiß ich, was mich erwartet. Der Eintritt ist frei. Begegnungen auf Einladung von Kulturhäusern, Kirchengemeinden oder Volkshochschulen, vermittelt von Dirk Lienig, einem der Köpfe der Kulturfabrik Hoyerswerda. Ja genau, Hoyerswerda! Bundesweit bekannt durch Ausschreitungen Anfang der Neunziger. Eine schrumpfende Stadt wie keine andere in Ostdeutschland. Heimat des legendären Liedermachers Gundi Gundermann.

Laubusch, Landkreis Bautzen. Eine Kirche, eine Schule, ein Kulturhaus. Keine Braunkohle mehr, aber ein aufgewecktes Publikum.
In Sachsen bin ich seit Sommer 2024 immer wieder unterwegs. Die Region Oberlausitz in Ostsachsen ist eine geschundene Region. Einst stolzes Industrierevier der DDR. Braunkohle, Tagebau. Wende. Transformation. Abwanderung. Stillstand. Bis heute eine „abgehängte“ Gegend, aufgeladen mit stabilen Klischees und Vorurteilen. Kurz: Aus Berliner Nase-weit-oben-Sicht: Das Herz von AfD-Dunkel-Deutschland.
Laubusch ist eine kleine ehemalige Tagebaustadt zwischen Hoyerswerda und Senftenberg. Nahezu ein Jahrhundert lang wurde hier Braunkohle gefördert, nach dem II. Weltkrieg Briketts produziert. Das Kulturhaus aus dem Jahre 1932 steht mitten im Zentrum der Gartenstadt „Erika“ aus den Zwanzigern des letzten Jahrhunderts. Das aktuelle Kultur-Programm reicht von der Vorführung des Hundesportvereins über Jugendweihe und Kneipenquiz bis zu Kinoabenden, Familien- und Kinderfesten bis zur beliebten „Kula Dance-Night“. Disko geht immer.
Bei meinem Laubusch-Termin soll es vorrangig um die Frage gehen, wie im KI-Zeitalter Dichtung und Wahrheit auseinandergehalten werden können. Die Skepsis der gut zwei Dutzend Besucher ist mit Händen zu greifen, als das Thema Öffentlich-Rechtliche erreicht ist. Jetzt verwandelt sich das Misstrauen der sächsischen Best Agers in Ablehnung, Trotz und Glaubensbekenntnisse. Das klingt ungefähr so: „Seit Corona glauben wir Euch nichts mehr!“ – „ARD und ZDF berichten einseitig und falsch!“ – „Die machen sowieso, was sie wollen!“ – „Ich kann sagen, was ich will, aber es bringt nichts.“ – „Niemand hört auf uns.“ – „Warum haut Ihr auf die Ossis so ein?“
Laubusch ist kein Einzelfall. Konkrete Erfahrungen aus dem Alltag werden erzählt. Die Teilnahme an einer BSW-Demo und wie danach darüber berichtet wird. Die Medien würden, die immer gleichen zu Wort kommen lassen, quasi gleichgeschaltet sein. Eine mittelalte Frau sagt besonders energisch, genau wie früher in der DDR. Andere berichten, sie schauten nur noch Welt-TV oder YouTube. Die seien objektiver. Am meisten beklagen die vorwiegend älteren Menschen, was weggelassen wird. Die Reporter seien unwissend und unhöflich. AfD-Leuten würden sie ständig ins Wort fallen. Gefühlt wählt im Laubuscher Kulturhaus im Landkreis Bautzen wohl jede/r Zweite AfD.

Zwischen Vorführung des Hundesportvereins und Blutspendetermin das Thema: „Wie objektiv können Medien sein?“ Der Eintritt ist frei.
Ich versuche tapfer dagegenzuhalten, unabhängige Medien seien in Umbruchzeiten wichtiger denn je. Journalismus müsse informieren statt belehren, aufklären statt manipulieren. Ob das ankommt? Ich weiß es nicht. „Wenn die Freiheit etwas bedeuten soll, dann das Recht, Menschen zu sagen, was sie nicht hören wollen“, denke ich an George Orwell.
Nach zwei intensiven Stunden erinnere ich in der Schlussrunde an Winston Churchill, der einmal sinngemäß gesagt hat, Demokratie sei ein ziemlich beschissenes System, aber er kenne kein besseres. Die jüngere Frau, die an diesem Tag in Laubusch die öffentlich-rechtlichen Medien besonders heftig in Grund und Boden kritisiert hat, spendiert mir nach dem Ende der Veranstaltung das letzte Stück selbstgebackenen Käsekuchen.
Transparenzhinweis: Nahezu vier Jahrzehnte habe ich für das ZDF gearbeitet.

Was ist echt, was falsch? Hier die Auflösung: Links die echte Mathilde Gvarliani. Rechts die KI-Version. Mathilde ist das Gesicht einer H&M-Werbekampagne. Quelle: Zeit April 2025