Ein Stückchen Ewigkeit

Haben Sie am Freitag, dem 4. September 2640 etwas vor? Nein! – Dann auf nach Halberstadt in Sachsen-Anhalt. An diesem Wochenende – so der Konzerttipp – wird der Schlussakkord des Stücks „Organ2/ASLSP“ von John Cage in der St.-Buchardi-Kirche zu hören sein. Es ist der D-Moll-Akkord des längsten Musikstücks der Welt. Seit einigen Wochen läuft nun „der früheste Vorverkaufsbeginn der Konzertgeschichte“ an: Der feierliche Abend findet in genau 615 Jahren statt.

 

 

Was ziehe ich zum Finale an? Wen nehme ich mit? Wie komme ich in das Städtchen im Vorharz? Zugegeben: Wenn wir unseren Planeten nicht zwischenzeitlich selbst ruiniert haben, kommt eher die 21. bis 25. Nachfolge-Generation infrage. Doch wer sich rechtzeitig Tickets sichert, der sorgt dafür, dass die Ururururur… Enkel dabei sein können. Ein kleines Stück für die Ewigkeit und ein großer Abschluss eines charmant-verrückten Projekts. Außerdem: Musik ist sowieso unsterblich.

 

 

„Die verrücktesten Ideen nehmen ihren Anfang stets vom Ende der Welt aus“, brachte mir ein befreundeter Theatermann bei. Seit September 2001 ist John Cage in Halberstadt on fire. 639 Jahre dauert die Aufführung bis ins Jahr 2640 Bei As slow as possible handelt es sich um ein Stück des amerikanischen Avantgardekünstlers John Cage (1912-1992). Der komplette Titel lautet “Organ Squared – as slow as possible”, komponiert für Orgel im Jahr 1987.

Die Idee der Initiatoren um Rainer Neugebauer war damals so einfach wie überzeugend. Im Jahre 2000 wurde die prächtige gotische Orgel (1361) im Halberstädter Dom nach 639 Jahren fertig. Nun wollte man mit Cage in die Zukunft schauen. Die nahe St. Buchardi-Kirche aus dem 13. Jahrhundert stand leer. Sie wurde ausgemistet. Bis in die siebziger Jahre hatte das ehemalige Nonnenkloster als Schweinestall gedient. So konnte historische Bausubstanz vor dem Verfall gerettet und John Cage für sage und schreibe  639 Jahre etabliert werden.

 

Das längste Konzertstück der Welt findet in Halberstadt in Sachsen-Anhalt statt. Hingehen. Die Stadt lohnt sich.

 

As slow as possible. Wer Ruhe, Gelassenheit und Entschleunigung sucht, findet im ehemaligen Zisterzienser-Kloster von Halberstadt alles, was das Herz begehrt. Vorausgesetzt: Es gelingt, im TikTok-Zeitalter Geduld und Muse mitzubringen, um sich stunden- vielleicht auch tagelang an einem einzigen Ton erfreuen zu können. Das wäre doch eine echte Challenge!

Die Eintrittskarte für das große Finale im Jahr 2640 kostet 2.640 Euro. Dafür gibt es eine spezielle Eintrittskarte aus zwei Millimeter dickem Metall. Ein echtes Unikat, hergestellt in der renommierten Gravur-Werkstatt Kanschur in Königs Wusterhausen bei Berlin. Keine Sorge: die Tickets sind übertragbar und können weiter verkauft werden. Es sind fälschungssichere Blechmarken  – für ein Stück Ewigkeit.

John Cage Projekt. Halberstadt.

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