Als der Blaue Reiter fiel

Das kranke Europa kann nur durch den Kampf geläutert werden. Dieser Krieg werde der grausame aber notwendige Durchgang zu einem neuen Europa sein. Das schrieb der Künstler Franz Marc zu Beginn des I. Weltkrieges. Der berühmte Maler und Mitbegründer des Künstlerbundes „Blauer Reiter“ zog freiwillig den Waffenrock über und diente als Leutnant der Landwehr. Franz Marc war einer von vielen Intellektuellen jener Zeit, die den Krieg als „positive Instanz“ verstanden wissen wollten.

Der gebürtige Münchner Marc hatte 1911 den Künstlerbund „Blauer Reiter“ aus der Taufe gehoben – gemeinsam mit Wassily Kandinsky, August Macke und Paul Klee. Ihnen gelang ein atemberaubender Aufbruch in die Moderne. Intensive Farben, expressionistische Leidenschaft und ungezügeltes Temperament. Franz Marc erklärte: „In unserer Epoche des großen Kampfes um die neue Kunst streiten wir als Wilde. Die gefürchteten Waffen der Wilden sind ihre neuen Gedanken; sie töten besser als Stahl und brechen, was für unzerbrechlich galt.“

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Franz Marc. (1880-1916). Vor Kriegsausbruch forderte er: „Die gefürchteten Waffen der Wilden sind ihre neuen Gedanken; sie töten besser als Stahl und brechen, was für unzerbrechlich galt.“

 

1914 tauschte Franz Marc Pinsel und Worte gegen Karabiner und Stahlhelm. Der Maler zog keineswegs mit Hurra-Patriotismus in die Schlacht jedoch mit Überzeugung. In seinen „Briefen aus dem Feld“ schrieb er an Ehefrau Maria. „Nun bin ich ein guter Soldat. Sorge dich nicht, ich komme schon durch.“ Als Leutnant des 1. Bayrischen Feldartillerieregiments notierte er 1915: „Wir leben in einer harten Zeit. Hart sind unsere Gedanken. Alles muss noch härter werden.“

Sein enger Malerfreund August Macke starb bereits wenigen Wochen nach Kriegsausbruch im Alter von 27 Jahren. Doch es verging ein weiteres Jahr, bis das Gemetzel an den Fronten die Position Franz Marc entscheidend veränderte. In einem späteren Brief an Lisbeth Macke, die Witwe seines Freundes August, schrieb er desillusioniert, der Krieg sei der „gemeinste Menschenfang, dem wir uns ergeben haben“.

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Franz Marc. „Blaues Pferd.“ 1911

Franz Marc kämpfte in Frankreich an der Front. 1916 wurde er in die „Liste der bedeutendsten Künstler Deutschlands“ aufgenommen. Damit konnte er vom Kriegsdienst befreit werden. An seinem letzten Einsatztag vor der Rückkehr fiel er während eines Erkundungsritts kurz vor Verdun. Zwei Granatsplitter trafen ihn tödlich. Das war am 4. März 1916 – fast genau vor hundert Jahren.

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Franz Marc. „Tierschicksale“. 1913.

 

„Als der blaue Reiter gefallen war“, klagte die Autorin Else Lasker-Schüler, „griffen unsere Hände sich wie Ringe – küssten uns wie Brüder auf den Mund. (…) Seine tiefgekränkte Gottheit, ist erloschen in dem Bilde: Tierschicksale.“ Franz Marcs Gemälde aus dem Jahre 1913 wurde unfreiwillig zu seinem Vermächtnis. Tierschicksale nahm den Weltenbrand auf apokalyptische Weise ein Jahr vorweg. Als das Bild später durch Feuer beschädigt wurde, restaurierte Paul Klee das Werk seines toten Freundes. Es wirkt wie eine unheilvolle Vorahnung vom Untergang Europas. Der Maler als Prophet. Tierschicksale ist im Kunstmuseum Basel zu sehen.

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