ECKERNFÖRDER ZEITUNG

Stasi veränderte das Leben aller

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Christhard Läpple stellte auf Einladung des Baltic Sea International Campus sein Buch “Verrat verjährt nicht” vor

Eckernförde. “Für mich war das heute eine spannende Diskussion. Auch anders als in anderen Städten. Durch Gaucks Eckernförde-Besuch im März 2011 und die aktuellen Entwicklungen hat das Thema eine neue Qualität bekommen”, wird Christhard Läpple später den Abend beurteilen. Aber der Reihe nach: Läpple, Redaktionsleiter der Sendung “Aspekte” im ZDF, las auf Einladung des Baltic Sea International Campus (BSIC) vor rund 60 Gästen Passagen aus seinem hochinteressanten Buch. Für “Verrat verjährt nicht – Lebensgeschichten aus einem einst geteilten Land” nahm Läpple mit Menschen Kontakt auf, die nach Aktenlage als Informanten für die Stasi tätig gewesen sind.

“Von hundert Leuten kamen neunundneunzig Absagen…” Es gäbe da ein Sprichwort: ‘Man liebt den Verrat, nicht aber den Verräter’, erklärt sich der Gast die vielen vergeblichen Anfragen. Anhand eines Geschwisterpaares, das sich in unterschiedliche Richtungen entwickelt, schildert Läpple, wie sich die Dinge verhielten, damals in der DDR. Die Schwester flüchtet, der Bruder baut sich seine Existenz im Ostteil des Landes auf. Er erwähnt bei seiner Anwerbung durch die Stasi, ihn würden Welten von seiner Schwester trennen. “In Wirklichkeit waren es nur wenige Kilometer. Er wohnte in Ost-, sie in West-Berlin”, so Läpple. Der Bruder bildet Gysi zum Melker aus (“Er konnte viel und gut reden, war aber ein schlechter Melker”), nimmt seine Aufgaben im Betrieb sehr ernst, trifft sich mit Stasi-Offizieren und mit seiner Schwester. Im Interview ereifert er sich: “Ich? Ein gemeiner Stasi-Spitzel? Ich habe nichts Verbotenes getan.” Die Schwester sei schuld. Sie sei doch abgehauen. In der folgenden Diskussion nennt ein Zuhörer das Beispiel der Geschwister eine “Bagatelle”. Ein anderer fragt, ob man denn nun weiter aufarbeiten oder damit aufhören solle. Läpple weiß, dass mehr als 2,5 Millionen Menschen bisher ihre Akten eingesehen haben, er hält eine Öffnung weiterhin für den besten Weg, sie trage zur Klärung bei. “Die DDR schuf mit der Stasi immerhin 90 000 Arbeitsplätze, man wollte in die Köpfe hinein schauen.” Wer in Haft gesessen habe, müsse für immer mit dem Bruch seiner Biografie leben. Juristisch seien die Dinge verjährt, moralisch nicht, seelisch nicht. Jährlich kämen 80 bis 90 Neuanträge, die Stasi-Unterlagen einzusehen. Das Ausmaß der seelischen Zersetzung sei nicht greifbar und kaum justiziabel. Und dennoch: Ein Mann, mit dem er hat sprechen können, hatte zwölf Jahre hinter Gittern verbringen müssen. Dieser konnte der harten Leidenszeit sogar noch etwas abgewinnen. “Ohne uns würde die Mauer heute noch stehen.” Läpple verabschiedet sich mit einem Denkanstoß: “Wie würde ich mich verhalten?” Das müsse jeder überlegen. Sinn und Zweck einer solchen Aufarbeitung sei es, sich zu immunisieren. Das wichtigste Mittel gegen Bespitzelung – sie öffentlich machen. “Ein gutes Gemeinwesen braucht keine Heimlichtuerei. Angst ist das Schmiermittel der Diktatur.”

Von Carola Flügel

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