Die Nacht im Eimer
Der Malerfürst Georg Baselitz liebt es kräftig, klar und am besten so richtig deftig. Seine Helden sind gegen den Zeitgeist gemalte grandiose Anti-Helden. Gebrochen, geheimnisvoll, verstörend. Sie sind gerade im Frankfurter Städel-Museum zu sehen. Berühmt wurde der gebürtige Sachse mit einem Geniestreich. Seit Ende der sechziger Jahre stellt er seine Motive einfach auf den Kopf. Verkehrte Welt, das Markenzeichen von Baselitz. Warum? „Ich war ein sehr aufmüpfiger, renitenter Typ und musste unbedingt was machen, was ich mir vorstellte, dass es nicht existiert in der Kunst.“
1938 kam er als Hans Georg Kern in Deutschbaselitz auf die Welt. Der Vater ein Nazi. Seine Heimat ein kleiner Ort in der Oberlausitz, wo er, wie er sagt, wild aufgewachsen ist. Im Alter von 21 Jahren verweisen ihn DDR-Funktionäre wegen „gesellschaftlicher Unreife“ von der Kunsthochschule. Kern nimmt den Namen seiner Heimatstadt an und wechselt 1957 nach West-Berlin. Auch im Westen malt er weiter gegen herrschende Normen an. „Die große Nacht im Eimer“ sorgt für einen handfesten Skandal. Ein onanierender Junge. Pornografie wirft ihm der Zeitgeist vor. Es kommt zu einem Prozess. „Ich wollte Schweinereien machen. Und Schweinereien fing, dachte ich, an bei der Farbe.“
In seinem produktivsten Jahr 1965 steigert sich der junge Wilde Baselitz in einen wahren Bilderrausch. Er malt siebzig Werke in einem einzigen Jahr. Sein Heldenzyklus entsteht, später folgen die Russenbilder. Baselitz bevorzugt stets deutliche Worte. „Frauen können nicht so gut malen“, tönt er und „es gab in der DDR keine Künstler, nur Arschlöcher“. Das war einmal. Baselitz ist mit seinen 78 Jahren merklich ruhiger geworden. Er wiegelt ein wenig ab: „Ich war früher sehr aggressiv. Das hat sich ein bisschen geändert. Daraus ist Humor geworden.“
Mittlerweile zählt der Altmeister zu den Top 3 der Weltrangliste der Kunst. Seine Bilder hängen in allen berühmten Museen. Bei Guggenheim in New York oder auch im Berliner Kanzleramt, damals bei Gerhard Schröder. Der raubeinige Provokateur hat es zu einer Art Staatskünstler gebracht. Dabei bleibt er sich über die Jahrzehnte hinweg treu – allen modischen Trends zum Trotz. Er malt die Welt weiter sinnenfroh, unangepasst und konsequent kompromisslos. „Das Motiv ist eigentlich seit fünfzig Jahren immer das Gleiche: meine Frau, ich, der Adler, die Landschaft da, wo ich herkomme und so weiter.“
Baselitz Ehefrau Elke, mit der er seit über fünfzig Jahren sein Leben am Ammersee und in Italien teilt, ist seine schärfste Kritikerin. So malt der Künstler aus Deutschbaselitz ein Leben lang kräftige Bilder auf dem Kopf und gegen den Strich. Was ist sein Credo? „Wenn man das Gegenteil macht, von dem was gefordert wird, ist es genau richtig.“
Georg Baselitz. Die Helden. Bis zum 23. Oktober 2016 im Städel-Museum in Frankfurt/Main.