Über Vater und Sohn
Bruce Springsteen. Der Boss. Zwei neue Bücher, ein altes Thema. Die Einsamkeit des Künstlers. Viele Jahre litt der US-Rockstar unter Depressionen – das schreibt er selbst in seiner Autobiografie. Als sein Vater 1998 starb, holte ihn der „Schwarze Hund“ ein. Doug Springsteen hatte seinen Sohn ein Leben lang schikaniert. Mithilfe von Ärzten, Medikamenten und Ehefrau Patti fand er wieder aus dem Tief. Bruce: „Wenn sie den Güterzug sieht, der Nitroglyzerin geladen hat und aufs Entgleisen zusteuert, dann bringt sie mich zum Arzt und sagt: ‚Dieser Mann braucht ein Pille‘.“
Bruce Springsteen verkörpert wie kein anderer das andere, bessere Amerika. Der ehrliche Arbeiter. Bodenständig, zuverlässig, geradeaus. Ein Working Class Hero. Seine Konzerte sind ein Erlebnis und bis zur Erschöpfung lang, oft drei Stunden und mehr. Egal, ob er mit seiner E-Street-Band vor dreihundert, dreitausend oder dreißigtausend im Stadionrund spielt. Am Ende dankt das Publikum glücklich aber müde mit Erlösungsbeifall.
Der österreichische Journalist Philipp Hacker-Walton erzählt in seiner neuen Biografie eine klassische Außenseitergeschichte. Er taucht in die Sturm-und-Drang-Jahre von 1975 bis 1978 ein. Der junge talentierte Künstler Bruce kämpft in frühen Jahren mit einem gierigen Manager, der ihn verrät und verkauft. Er ringt mit einem Vater, der ihn knallhart kontrolliert und hartherzig abperlen lässt.
Die Familie ist ein Gefängnis. Vater Doug fühlt sich vom Leben betrogen, ob als Busfahrer, Fließbandjobber oder Gefängniswärter. Hart Malochen, wenig Freude und warten bis Sohn Bruce nach Hause kommt. Der Sixpack Bier bleibt am Abend in der einsamen Küche der einzige Trost. Mutter Springsteen nimmt einen Kredit, um ihrem Sohn zum 15. Geburtstag eine E-Gitarre schenken zu können. Statt Grammatik und Geometrie übt Sohn Bruce fortan Griffe von C-Dur bis A-Moll.
In Born to run singt und spielt Bruce sich 1975 seinen ganzen Vorstadt-Frust aus dem Leib. Ein Album voller Aufbruch und Energie, getragen von geradezu naivem Idealismus. Geboren, um loszulaufen. Nur wohin, sagt der damals 26-jährige nicht. Vierzig Jahre später liefert der Weltstar Springsteen mit Wrecking Ball den Soundtrack zur Finanzkrise. Er gibt den Ausgepowerten und Betrogenen eine Stimme, wenn er singt: „The banker man grows fat, working man grows thin“.
Am 27. September erscheint Springsteens Autobiographie “Born To Run” (Heyne) gemeinsam mit dem neuen Album: “Chapter & Verse“. Philipp Hacker-Waltons Biografie Vom Außenseiter zum Boss Als Bruce Springsteen sich seine Songszurückholte (Braumüller) ist bereits im Buchhandel erhältlich.