Zauber im Gutspark

Ein Sonntagabend im Juli. Das Theaterdorf Netzeband in der Prignitz, nördlich von Berlin. Eine gute Autostunde entfernt. Die Kindervorstellung ist beendet. Die Besucher abgereist. Auf den Terrassen vor der Kirche studiert der Regisseur mit Schauspielern und großem Eifer „Ellernklipp“ ein. Das neue Stück vom Alt-Meister Fontane. Der märkische Goethe reflektiert über Blumen-Unkraut. „Und wer den Todten Blumen streut, der streut sie, denk´ ich, auch den Lebenden.“ Fontanes Stimmen hallen lautsprecherverstärkt durch den Park. Auf der Wiese posieren junge Mädchen für ihre Smartphones. Sie schlagen Rad, bringen sich in Position, werfen ihren Kopf nach hinten, streichen sich verführerisch durchs Haar. Hände in die Hüften. Brust raus, den Kopf zur Seite, ein Lächeln. Klick. Dann fröhliches Gelächter.

 

Seit über zwanzig Jahren der Klassiker im Gutspark Netzeband. „Unter dem Milchwald“ von Dylan Thomas.

 

Vor der Kneipe im Gutshaus sitzen die Männer des Dorfes, Einheimische wie Zugereiste. Sie trinken ihr Sonntagsbier, klären die Lage und stellen fest, dass früher alles besser war. Eindeutig. Ohne Frage. Die nächste Runde bitte, aber dalli! Über allem schwebt eine sirrende Drohne. Ein Netzebander steuert sein Fluggerät über den riesigen Holzhaufen des wegen Waldbrandgefahrs ausgefallenen Osterfeuers. Seine schnurrende Wespe aus Metall fliegt weiter über die Kulisse des Parks, beobachtet die Proben der Fontane-Jünger, die Trinker und tanzenden Jungschauspielerinnen. Vor einem Vierteljahrhundert, kurz nach der Wende fing alles an. Theater am Rande der Welt. Dort, wo ein Neuanfang möglich war. Was für ein Zauber!

 

Stil-Leben im Gutshaus.

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