Homeland
„Brot kann schimmeln. – Du kannst gar nichts.“ Kurzer Schlagabtauch in einer Dorfkneipe. Tresen-Weisheiten. Der gemeine Brandenburger macht nicht viel Aufheben. Er verliert nur wenige Worte. Die trockene Pointe zählt. Brandenburg stammt von Branten. Es ist ein altes Wort für Pratzen oder Tatzen, in dem klanglich „Bandenburg“ mitschwingt. Da liegt doch die Geschichte vom störrischen Esel Buridan nahe, der zwischen zwei vollen Heuhaufen wählen, aber sich nicht entscheiden kann. Am Ende verhungert er.
„Es ist nicht alles Chanel es ist meistens Schlecker, kein Wunder dass so viele von hier weggehen, aus Brandenburg. Da stehen drei Nazis auf dem Hügel und finden keinen zum Verprügeln, in Brandenburg. Brandenburg, ich fühl‘ mich heut‘ so leer, ich fühl‘ mich Brandenburg. In Berlin bin ich einer von drei Millionen, in Brandenburg kann ich bald alleine wohnen…“, lästerte schon vor Jahren Liedermacher Rainald Grebe. Wo wohnt der gute Mann? – In Brandenburg.
Während in Berlin-Mitte und angeschlossenen Szenevierteln allerletzte Brachflächen zugebaut, Wohnraum knapp und teure Luftschlösser geplant werden, schrumpfen im Umland Städte und Gemeinden, werden Dörfer von der Außenwelt abgehängt oder verschwinden ganz von der Landkarte. Die Ideologie des stetigen Wachstums weicht einer Kunst des Schrumpfens. Hier können nunmehr gepflegte Langeweile und Müßiggang geübt werden. Es ist die Suche nach dem Modell für ein neues Leben.
Es ist der Versuch in menschenleeren Gegenden zu siedeln. Immer mehr Menschen suchen in der Streusandbüchse ihr Glück, während viele junge Einheimische nur noch weg wollen. Der dunkelste Ort in Deutschlands liegt natürlich in Brandenburg. Gülpe heißt er, knapp einhundert Kilometer westlich von der boomenden Hauptstadt entfernt. Hier schlägt das Herz Dunkel-Deutschlands. Das hat einen wesentlichen Vorteil: Nirgendwo ist die Nacht schwärzer. Nirgendwo die optische Luftverschmutzung so gering. Hier kann der aufmerksame Beobachter die meisten Sterne sehen.
Gülpe ist Deutschlands erster Sternenpark. Umsonst und draußen. Ein Campingstuhl genügt. Und ein bisschen Geduld und Glück…