Amour fou Teil 5 – Finale
Was blitzartig entflammt, kann glänzend leuchten. Irgendwann verlischt das Licht wieder. Es wird ausgepustet. Oder vergeht, hat keine Kraft, findet keine Nahrung mehr. Was ist Glück? Keine Termine und leicht einen sitzen, meinte einmal ein Berliner Entertainer. Ingeborg Bachmann und Max Frisch waren beide stets auf der Suche nach dem kleinen und großen Glück. Sie wussten: Schreiben kann Küssen mit dem Kopf sein. Am Ende ihrer aufregenden, rasch aufreibenden gut vierjährigen Beziehung werden die Briefe kürzer, schärfer und unversöhnlicher. Gebrochene Herzen schmerzen. Leben will ich, heißt es so schön: und nicht immer nur so tun.
Mittlerweile streiten sich die Gelehrten, ob der Briefwechsel „eine Sensation“ oder „auf keinen Fall“ hätte veröffentlicht werden dürfen, weil Privates privat bleiben sollte. Hier meine letzte Folge von kurzen Auszügen, das Finale einer Amou fou der Literaturgeschichte. Wer es genauer wissen will: „Wir haben es nicht gut gemacht“ bietet (mit mehreren Nachworten) auf mehr als tausend Seiten viel Lesestoff.
2.Juni 1963 – Rom Max Frisch
„Liebste Ingeborg,
Wir sind halt ein berühmtes Paar gewesen, leider, ohne unser Zutun. … Ich danke Dir noch einmal für die Lektüre meines Manuskripts, für den entscheidenden Ansporn, den Du mir von Anfang gegeben hast zu diesem Unternehmen, das so gefährlich ist, das ich manchmal verzweifle. Deine Kritik ist für mich einleuchtend. Dass vieles noch sehr schlecht geschrieben ist, sagst Du nicht, aber ich weiß es ja; ich möchte den Sommer verwenden. Inzwischen hat sich schon viel verändert, teils auch in dem Sinn deiner Kritik. …
Es ist auch mein eigener Wunsch, dass ich das fertige Manuskript, bevor ich es aus der Hand gebe, nochmals zeigen darf. Das wäre, so hoffe ich, im Herbst. Außer einem Abschnitt (Gantenbein als Vater) ist jetzt alles skizziert, aber streckenweise so dürftig geschrieben, dass ich schwitze, wenn ich darin lesen muss. Es ist mein höchster Ehrgeiz, dass das Buch vor Dir bestehen kann; das ist, ich weiß, nicht ein fernes Ziel, und dann zweifle ich wieder, ob ich es erreiche, aber dann werde ich es auch nicht herausgeben. Lass mich also wissen, wann und wo Du ankommst.
Alles Gute dein alter Max“
20. Juni 1963 – Ingeborg Bachmann (auch an Marianne Oellers)
Rom Hotel Savoy, wo ich wohne
„Max, dieser Brief ist auch für Marianne bestimmt, sie soll ihn mitlesen. Ich reise heute ab, es ist also zum zweitenmal gelungen, mich loszuwerden, nur ich reise diesmal mit einem anderen Gefühl, dem der totalen Hoffnungslosigkeit. …
Leb wohl. … Was uns betrifft, das ist auch kein Geheimnis vor ihr; wir werden einander nicht mehr sehen, nach diesen Worten nicht. Ich bin nach Rom gekommen, nicht Du nach Berlin, und das hat ein Ende. Ich kann nicht weiter.
Ingeborg“
21. Juni 1963 – Rom Max Frisch
Liebste Ingeborg,
…“Was deine Freunde sich dachten: ob ich dir zu alt bin oder nicht außerordentlich genug, verglichen mit ihnen, soll mich nicht kümmern. Du machtest mich (da ich das Wort schon einmal in den Mund genommen haben´, zögere ich nicht mehr es zu verwenden) zum Arschloch, wenn ich mich dann, sei es in der Gegenwart oder ebenso ohne deine Gegenwart, durchaus zu deinem Gefährten ausgab. … Und ich wünsche Dir Glück, Ingeborg, ich wünsche es Dir wirklich. Ich habe Dich sehr geliebt.
Dein alter Max“
20. März 1964 – West-Berlin Ingeborg Bachmann
Lieber Max,
ich will alle Briefe zurückhaben, nicht nur die Zettel und Briefe, die mir versprochen wurden und die bis heute nicht eingetroffen sind, nach monatelangem Warten. Auf die Angabe der Gründe verzichte ich, da Du sie kennst und ich Dir die Aufzählung ersparen möchte. Ich möchte nur noch jedem denkbaren Missbrauch vorbeugen, und es ist selbstverständlich, dass ich nichts aufbewahren werde. Ich versprach Dir schon vor langer Zeit, dass ich Dich, Deine Arbeit und alles immer schützen werde. …
Ich ersuche nur noch um die rasche Rücksendung aller Papiere, damit die Tortur ein Ende hat.
I.“
6. April 1964 – Rom Max Frisch
Liebste Ingeborg,
… “Ich will alle meine Briefe zurückhaben, schreibst Du. Diesen Wunsch werde ich Dir nicht erfüllen. Deine Briefe gehören mir, so wie meine Briefe Dir gehören. Wenn Du dir eine Tortur daraus machst, dass Du mir einen gemeinen Missbrauch mit den Briefen zutraust, kann ich Dir nicht helfen. Du wirst dich damit begnügen müssen, dass ich jede Veröffentlichung von Briefen testamentarisch verboten habe, nicht jetzt, schon vor Jahren. …
Wenn Du immer und immer wieder verletzt sein willst, kann ich´s nicht hindern, auch damit nicht, dass ich auf diesen feindseligen Ton mit Ruhe antworte. Ingeborg! Das ist nicht gut, ich beschwöre Dich.
Dein alter Max“
ENDE