Bauern, Bonzen und Bomben
Schleswig-Holstein vor knapp hundert Jahren. Ein lokaler Hilfsredakteur berichtet 1929 über Bauernproteste. Der Mann ist im Dauereinsatz. Im kleinen Neumünster protestieren rund dreitausend wütende Bauern mit Handstöcken und Knüppeln. Sie fordern ein Ende von Pfändungen und Steuernachzahlungen. Die Polizei versucht die Landvolkfahne mit Pflug und Schwert in ihren Besitz zu bringen. Die Bauern verteidigen ihr Symbol. Es gibt zahlreiche Festnahmen und mehrere Schwerverletzte. Der Reporter: „Ich sitze tatsächlich zwischen den Stühlen, bin vormittags gegen die Polizei und für Bürgertum und Bauern und nachmittags umgekehrt.“ Der Mann zwischen allen Stühlen heißt Rudolf Ditzen. Besser bekannt als Hans Fallada. Zwei Jahre später erscheint sein wegweisender Roman „Bauern, Bonzen und Bomben“.
Ditzen hat es 1928 nach Neumünster verschlagen. Für einen Hungerlohn versucht er, Anzeigen zu verkaufen, verfasst außerdem kleine Lokalberichte. Aus nächster Nähe erlebt er mit wie Honoratioren ticken. Eine eine eigene Welt aus Denunziation, Staatsverdrossenheit und Intrigen. „Meine kleine Stadt steht für tausend andere und für große auch.“ Hilfsredakteur Ditzen bekommt „Einblicke in Kämpfe um Macht, kleine Eifersüchteleien, Geldsackangst, Parteidisziplin, Geschrei, Drohungen und Lavieren“.
Den Bauern geht es schlecht. Zinsen und Steuern sind hoch. Viele Betriebe unrentabel. Seit Jahren treiben Kreditschulden und hohe Kosten vor allem kleine Höfe in den Ruin. Schlachtreifes Vieh muss weit unter Preis verkauft werden, weil die „Preise stürzen“. Als im November 1929 wieder einmal bei einem Schuldner zwei Ochsen gepfändet werden sollen, errichten Bauern brennende Barrikaden. Das Landvolk ist aufgebracht. Funktionäre wiegeln zum Kampf gegen das ungerechte System auf. Ein Teil der Bauernschaft radikalisiert sich. Es gibt Bombendrohungen und Anschläge. Die Obrigkeit verlangt: Hart durchgreifen.
Teil 1 Bauern. Bonzen und Bomben. Die Verfilmung von Egon Monk. 1973. Leider lässt die technische Qualität zu wünschen übrig, aber wer sich einlässt, wird belohnt.
Die Bauern verhängen einen Boykott gegen die Stadt Neumünster. Ein dreiviertel Jahr lang liefern sie kein Obst, Gemüse, Getreide, Butter oder Milch. Große Teile der Wutbauern beteiligen sich. Rechte Stimmungsmacher wiegeln das Landvolk zusätzlich nationalistisch, antisemitisch und völkisch auf. Eine Kraftprobe, von der später nur eine Partei profitiert: die NSDAP. Die Saat geht auf, die Hitlerpartei kommt an die Macht. Das war vor knapp hundert Jahren. Alles vergangen und vorbei?
Das ist eine sehrgute Erinnerung. Danke fürdie Aufklärung. Gut zu wissen.