SÜDDEUTSCHE ZEITUNG

Kennen Sie Faust?

“Unser Ziel heißt Erneuerung”: Redaktionsleiter Christhard Läpple will das ZDF-Magazin “Aspekte” verändern

CLAUDIA TIESCHKY

Es soll wärmer werden. Wenn Fernsehleute solche Wünsche formulieren, dann heißt das sogar im dunkelsten Winter meist nur, dass wieder mal eine Sendung marktgängiger werden soll. Was normalerweise kein Zeichen für Fernsehqualität ist, sondern für Verflachung.

Wärmer werden soll nun auch Aspekte, das Kulturmagazin des ZDF am späten Freitagabend, das zuletzt mit immer weniger Sendungen immer später kam und nun neue Moderatoren, einen neuen Redaktionsleiter und eben im März auch eine neue, wärmere Studiokulisse erhalten soll. Und eigentlich muss man fürchten, wieder mal ein Beispiel geliefert zu bekommen, wie das öffentlich-rechtliche Quotenfernsehen seinen Auftrag selbst zerlegt, indem es Bildungsinhalte erst an Programmränder schiebt und sie dann dort verseichtet, damit überhaupt noch jemand zuschaut.

Wenn man sich in diesen Tagen mit Aspekte-Chef Christhard Läpple unterhält, dann trifft man einen, der sich in diesem Punkt wenig Illusionen machen dürfte, aber große Erwartungen hegt. Die Gesellschaft, sagt er, sei so fragmentiert, “dass sie in Teilgesellschaften zerfällt. Das, was früher das Integrationsfernsehen leisten konnte, einen Gesprächsfaden zu haben und die Gesellschaft zu führen, ist heute nur noch in wenigen Bereichen möglich. Kultur ist einer davon.” Höher kann man die Forderung an eine Kultursendung kaum legen, man könnte das schon eine Rundfunk-Utopie nennen. Und ähnlich klingt es auch, wenn Läpple mit Blick auf den Bildungsauftrag davon spricht, Aspekte müsse “genaugenommen altmodischer und zugleich wieder moderner werden”.

Man kann das so interpretieren, dass ihm sehr bewusst ist, dass man von ihm stabile, wenn nicht wachsende Zuschauerzahlen auf dem späten Freitagsplatz erwartet, wenn viele Menschen fernsehen, aber Unterhaltungsendungen wie die NDR-Talkshow eine starke Konkurrenz sind. Trotzdem entzieht er sich etwa dem typischen Buhlen um junges Publikum (“Das Ziel heißt nicht Verjüngung, unser Ziel heißt Erneuerung”) und erklärt stattdessen, Aspekte müsse sich darum kümmern, “dass sowohl die Handarbeitslehrerin als auch der Oberstudienrat als auch der Bildende Künstler als auch der lesende Busfahrer bei uns jederzeit etwas lernen oder erfahren oder sich unterhalten kann” .

Dabei hat Läpple, 53, immer eher Projekte betrieben, bei denen man schwerlich naiv bleiben kann. Und auch die Tatsache, dass ihn das ZDF bislang nur kommissarisch zum Aspefete-Chef machte, wirkt nicht gerade wie ein Bekenntnis zu der Sendung, die seit 46 Jahren der Ort für die Kultur im Zweiten ist. Läpple war letzter DDR-Korrespondent des ZDF und hat die Stasi- Verstrickung am Lerchenberg in einem Film aufgearbeitet, um den es Streit gab, kurz vor Ausstrahlung musste korrigiert werden. Man kann wahrscheinlich sagen, dass Läpple auf konstruktive Art unversöhnt mit dieser Arbeit war, zwei Jahre später erschien sein Buch Verrat verjährt nicht, in dem er auch Stasi-Täter befragte.

Redaktionsleiter bei Aspekte wurde er im Juli, als Vorgänger Wolfgang Herles zur neuen Literaturredaktion wechselte und das Büchermagazin Das blaue Sofa erhielt. Seither hat Läpple experimentiert und von der Sendung reden gemacht, als er Gastmoderatoren wie Anke Engelke verpflichtete. Im Juli schickte er Thilo Sarrazin nach Kreuzberg und im November fuhr der deutschbengalische Schriftsteller Steven Uhly nach Jena und sagte dort, er habe Angst, sich in Ostdeutschland zu bewegen. Wenn das als Provokation gedacht war, ist sie gelungen. Experimentiert wurde auch beim Format mit seinen vier bis fünf Beiträgen pro Sendung. Möglich sein soll hin und wieder einen langer Elf -Minuten-Beitrag. Der “sportliche journalistische Ehrgeiz”, sagt Läpple, bestehe darin, “möglichst ein Thema pro Sendung zu haben das einen völlig anderen Zugang bietet, im Sinn einer klassischen Magazinform. Denn ich glaube an das Magazin.”

Am 13. Januar wird auch Veränderung sichtbar, wenn Moderatorin Katty Salie zum ersten Mal dabei ist. Luzia Braun, die bisherige Präsentatorin, ist stellvertretende Redaktionsleiterin. Von der Mischung einer Moderatorin Mitte Dreißig und der Erfahrung einer Redaktion im Alter über fünfzig verspricht sich Läpple viel. “Wenn Sie pädagogisieren”, weiß er auch, “scheitern sie meistens, aber da haben hier fast alle ein altmodisches Bild noch, ein romantisches Bild des 20. Jahrhunderts” , es sei einfach nicht schlecht, ” wenn Leute noch wissen, was ein gewisser Faust war. Oder der Freiheitsbegriff bei Schiller.” Wärmer darf es natürlich trotzdem werden, bei Aspekte.

 

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