Die Kraft der Trompete

Er galt lange als das Wunderkind des Jazz. Mit 19 Jahren hatte er sein erstes Album „Diamond in the Rough“ veröffentlicht. Das war 1989. Seitdem schleift und poliert der US-Trompeter Roy Hargrove seine musikalischen Diamanten, sucht nach neuen Ausdrucksformen. Ein derart hoher Erwartungsdruck kann schnell Freude in Frust verwandeln. Wer geht schon gerne als ewiges Talent in die Musikgeschichte ein?

Der heute vierundvierzigjährige Musiker erklärte einmal einem Journalisten: „Ich habe den Anspruch, dass jede meiner Platten auf gewisse Art und Weise ein Ereignis wird. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Hörer sich auch rückblickend noch an meine jeweilige Musik erinnern können. Ich versuche jedenfalls nicht, das gleiche bewährte Muster ständig zu wiederholen“.

Bei seinem aktuellen Konzert im Berliner A-Trane gab sich der einstige junge Löwe eher zahm und unnahbar. Wie immer mit Sonnenbrille, Fliege und buntkarierten Hosen ausstaffiert, absolvierte er  sein Repertoire routiniert und professionell. Nur manchmal blitzten Spielfreude, Witz und Variantenreichtum auf. Musikalische Stärken, die den Vorzeigemusiker und sein Quintett bisher so auszeichneten.

Vielleicht war es der graue November-Blues, den Roy Hargrove in Berlin ereilt hatte. Er wirkte reduziert, zeitweise wie abwesend. Als er einmal das Flügelhorn ansetzte, blitzte sein Können auf – wie ein funkelnder Stern am Nachthimmel. Zu hoffen bleibt, dass die Last ein ewiges Wunderkind sein zu müssen, nicht seinen weiteren Weg verfolgt. Denn der Mann verzaubert in seinen besten Momenten die Trompete in ein Spiegelbild seiner Seele. Dann entsteht der Hargrove-Sound mit Leidenschaft, Freude und Schmerz, der einfach nur berührt.

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