Der lange Atem
Wir sehen eine trostlose karge Landschaft. Lavasand. Steppengras. Einige Baumstümpfe ragen aus dem Boden. Apokalypse Now? Könnte sein. Aber es wächst ein wenig Grün. Mühsam behauptet es sich. Diese Aufnahme entstand in Island und stammt aus diesen Tagen, während das alte Europa in Angst und Schrecken versinkt. Das Bild zeigt ein kleines Wunder. Natur heilt Wunden. Auch wenn sie sich manchmal Zeit lässt. Sehr viel Zeit.
Halldor Gudmundsson hat diese stille Landschaft fotografiert. Der langjährige Verleger und heutige Harpa-Konzerthaus-Chef schreibt: „Ein Wald in Island, der vor ca. 1.200 Jahren einer Überschwemmung oder Sandflut zum Opfer fiel, wahrscheinlich von einem Vulkanausbruch in Mýrdalsjökull verursacht, ist in den letzten Jahrzehnten langsam wieder aus dem Sand gekommen, unglaublich gut aufbewahrt.“
Die Isländer debattieren in diesen Tagen intensiv, was die Rückkehr der Bäume zu bedeuten hat. Im Land der Sagen und Trolle ist der Glaube an Wunder und Naturphänomene keine Ausnahme, sondern Bestandteil von Tradition und Kultur. Halldor ergänzt noch: „Dieser Wald stand da bevor die ersten Menschen nach Island kamen, und vielleicht wird er völlig auferstanden sein, wenn wir wieder gehen.“