Archive for : Februar, 2017

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Bauer mit Kultur

Er knipste das Licht aus. Wickelte die Genossenschaft ab. Schickte fast siebzig Mitarbeiter in die Marktwirtschaft. Aus und vorbei. Siegfried Naumann. Letzter Chef der LPG-Tierproduktion „Thomas Müntzer“ im kleinen märkischen Netzeband. Sein Betrieb hörte auf den Namen des Bauernführers. Gut tausend Schafe und hundert Milchkühe gehörten dazu. Karges Land, schlechte Böden. Viel Arbeit, wenig Ertrag. Gleich nach der Wende das Ende. Naumann nüchtern: „Wir haben die LPG aufgelöst, weil die Landwirtschaft unter kapitalistischen Verhältnissen eigentlich nicht machbar war“.

 

Siegfried Naumann. (1935 – 2017) Bauer, Jäger, Reiter, Opernliebhaber. Für ihn war Kultur kein Luxus, sondern ein überlebenswichtiges Lebensmittel.

 

Siegfried Naumann ist ein pragmatischer Mensch. Und doch folgt er seinen Prinzipien. Er studierte Landwirtschaft und Pädagogik. Er liebte leidenschaftlich die Jagd und Arien von Wolfgang Amadeus Mozart. Er war ein passionierter Reiter und treuer PDS-Genosse. Ein gebildeter, lebenskluger Mann. Stets als Krisenmanager im Einsatz. In das abgelegene Netzeband kam er im Jahr vor der Wende weil die dortige LPG abgewirtschaftet hatte. Was er anfasste, hatte Hand und Fuß. Jetzt hörte das Herz auf zu schlagen. Mit 82 Jahren. Ein gesegnetes Alter – und doch reißt er eine Lücke.

Mit dem gebürtigen Sachsen Naumann traf ich mich letzten Sommer auf seiner Terrasse. Er war gerade von seinem Lieblingspferd verletzt worden. „Ich habe nicht aufgepasst, es kam von hinten, schubste mich. Ich habe wohl irgendeine Dummheit gemacht“. Aber er wollte lieber über sein Verhältnis zur Kultur reden. Naumann wollte den Bauern Musik und Theater näherbringen. „Wir hatten einen Freundschaftsvertrag mit der Komischen Oper Berlin. Dann haben wir geworben, dass Mitglieder unserer Genossenschaft und Dorfbewohner mitkommen, wenn wir mit Bussen mit 30, 35 Leuten nach Berlin fuhren.“ Ehefrau Gisela wirft ein: „Es gehört zur Wahrheit, dass sie sagten: Das ist nichts für uns! Machen wir nicht!“

 

Wer genau hinschaut, kann Fontane noch heute in der Mark Brandenburg entdecken.

 

Naumann lächelt verständnisvoll. Er machte einfach weiter: „Dann hat sich das nach und nach ergeben, als die ersten mitgingen, die wir belatschert hatten.“ Der Jagdhund zu seinen Füßen knurrt zufrieden. Mozart, Rossini und Verdi für die Menschen vom Land. Auch das war die DDR. Als die Planwirtschaft 1990 zusammenbrach, setzte er auf das, was ihm blieb: Kultur. Er unterstützte den zugereisten Landschaftsplaner Horst Wagenfeld. Der Düsseldorfer entwickelte Anfang der neunziger Jahre mit seiner Frau ambitionierte Theaterpläne. Naumann warb einen jungen talentierten Regisseur an. Er hieß Frank Matthus und war der Sohn des Komponisten Siegfried, den Naumann von der Komischen Oper kannte.

Naumann blieb Genosse, ging für die Linke, wie sie nunmehr hieß, in den Gemeinderat. Sein Herz aber schlug für den Förderverein. Beharrlich und konsequent unterstützte er den Anfang des Theatersommers von Netzeband. Er half Gorki und Goethe in die Provinz zu lohnen. Nun kamen die Städter aufs Land. Viele träumten von Idylle, Landlust und Selbstverwirklichung. Naumann blieb vorsichtig. Er räumt ein: „Wir hatten eine Voreingenommenheit gegenüber den Wessis.“

 

Er liebte seine Pferde. Ohne sie konnte er nicht leben.

 

Das gemeinsame Projekt half Vorurteile zu überwinden. LPG-Chef Naumann und Landschaftsarchitekt Wagenfeld verstanden sich. „Ich habe viel von ihm gelernt. Ich habe auch politisch profitiert“, sagt Naumann und streichelt seinen Hund. Zehn Jahre später, Anfang 2000, scheiterte der Landschaftsplaner aus dem Westen. Er hatte sich übernommen, musste vier GmbHs in den Konkurs schicken. Genau wie Naumanns LPG einige Jahre zuvor. Tragisch nennt das Naumann. „Das habe ich nie begriffen. Er als eingefleischter Kapitalist hat so eine tolle Sache geplant und dann hat ihm die Bank den Kapitaldienst versagt.“

 

https://youtu.be/cPv9lH_23FU

 

Mit Kultur könne keiner reich werden, weiß Naumann. Aber Theater gebe den Menschen Hoffnung. „Schauen Sie sich heute um. Aus unserem Klein-Sibirien wurde ein einmaliges Theaterdorf. Er hat ein Denkmal verdient.“ Das sagte der alte Kommunist und ewig junge Opern-Liebhaber in seinem letzten Interview. So lernte ich Siegfried Naumann kennen. Ein Mann mit Kultur. Einfach, schnörkellos und überzeugend. Für ihn gilt das Hölderlin-Wort: „Wir, so gut es gelang, haben das Unsere getan.“

 

Last Song

So schnell kann es gehen. Für Juli war ein großes Sommerkonzert im gediegenen Schloss Neuhardenberg östlich von Berlin angekündigt. Ein Top-Ereignis. Summertime im Park mit Al Jarreau. Dann kam vor wenigen Tagen eine Absage der Veranstalter. Er sei zu erschöpft. Das Konzert müsse ausfallen. Diesen Sonntag (12. Februar 2017) wurde aus einer kleinen Nachricht traurige Gewissheit. Al Jarreau hat sich verabschiedet. Für immer. Der 76-jährige Sänger verstärkt nun das Himmels-Orchester mit David Bowie, Prince, Leonard Cohen und vielen anderen. Dort oben wird es ziemlich voll…

Al Jarreau gehört zu den Stars, die man nicht vorstellen muss“, hieß es im Programm für das Sommerkonzert in Neuhardenberg. Ein ganzes Orchester hatte er in der Kehle. „Singend, gurgelnd, mit der Zunge schnalzend, stöhnend, schreiend, flatternd, flüsternd, seufzend, knatternd“, lobte die Süddeutsche Zeitung in einem hymnischen Nachruf. So eroberte Al die Bühnen der Welt. Uneitel, aber hochmusikalisch. Seine Interpretation von Take Five machte ihn bekannt. So gewann er auch Menschen, die eher Lady Gaga oder Robbie Williams hören. Al Jarreau veredelte Dave Brubacks Jahrhunderthymne des Jazz.

 

 

Seinen Durchbruch in Deutschland gelang Al Mitte der Siebziger in der Hamburger Onkel Pö´s Carnegie Hall. Eine verrauchte Eckkneipe, in der sich damals auch Udo Lindenberg herumtrieb. Al Jarreau kam, sang und verzauberte. Das Publikum ist in den Jahren mit ihm „reifer“ geworden. Viele brachten zu den Konzerten gleich die ganze Familie mit, einschließlich der Enkel. Zuletzt huldigte der Ausnahme-Vokalist Jazz-Legende Duke Ellington.

Mit Al Jarreau ist schon wieder einer der Großen abgetreten. Was bleibt? Seine Lieder, seine unverwechselbare Stimme, seine einzigartigen Interpretationen. Al Jarreau lebt in diesen Songs weiter. Nur ein Beispiel: Gemeinsam mit Alita Moses stand er 2015 beim Montreux Jazz-Festival noch einmal auf der Bühne. Das sind zehn Minuten, die sich lohnen. Denn, das ist das Geheimnis guter Musik, mit solchen Künstlern ist selbst bei trübsten Aussichten … Summertime.

 

 

„summertime
and the living is easy
fish are jumping
and the cotton is high

oh you’re daddy’s rich
and your mum is good looking
so hush little baby
don’t you cry

one of these mornings
you gonna rise up singing
then you spread your wings
and you take to the sky

but until morning
there’s nothing can harm you
with daddy and mummy
standing by…

(George Gershwin)

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Hey Bots

Alle Jahre wieder ist Berlin die Kino-Hauptstadt der Welt. Knapp 400 Filme werden in den nächsten Tagen auf der Berlinale zu sehen sein. Glitzer und Glamour, Frust und Leid liegen nur einen roten Teppich entfernt auseinander. „Lebensbejahende Stoffe und Themen“ in schweren Zeiten verspricht Berlinale-Chef Kosslick im 67. Jahr. Tausende selbsternannte, selbstverliebte aber auch professionelle Filmkritiker werden die Darbietungen auf der Leinwand loben und zerlegen, verklären oder vernichten.

 

Die Stunde der Entscheidung. Manchmal herzbeglückend schön, manchmal abgrundtief zerstörerisch. Das war schon immer so in der Welt der Stars, Sternchen und filmenden Sinnsuchern. Kritik ist das Salz in der Suppe. Doch nun tauchen in der Flut der Kritiken erste Texte auf, die von Robotern geschrieben werden. Genosse Computer verwandelt mit der Macht der Algorithmen Textbausteine in Rezensionen. Achtung: „Powered by Narrative Science“. Meistens wird die maschinengesteuerte Quelle verschwiegen.

 

Journalisten. Hannah Höch. 1925.

 

Das Verrückte. Der geneigte Leser merkt es kaum. Noch besser: drei aktuelle Studien in Schweden, Deutschland und in den Niederlanden kommen zu ähnlich überraschenden Befunden. Computertexte werden als „deutlich informativer und vertrauenswürdiger“ eingeschätzt. Aber eben „auch langweiliger“ als von Menschenhand geschriebene Texte. Die schwedische Untersuchung konzentrierte sich auf Sportthemen. Niederländische Wissenschaftler testeten zusätzlich Börsenberichte. Die Münchner Untersuchung ließ 986 Befragte Sport- und Finanzberichte bewerten. Unterm Strich: Roboter-Texte gelten bei Probanden als glaubwürdiger und vertrauenswürdiger.

 

Auf in die schöne neue Welt. Kinohelden der ersten Stunde: Charlie Chaplin und Jackie Coogan 1921.

 

Wird der Mensch überflüssig? Wann erhält der erste Robotertext den Pulitzer-Preis oder als digitaler Drehbuchautor den Oscar? Schreibprogramme wie Swiftkey nutzen beispielsweise Shakespeare-Wendungen. Der Plot für Berlinale oder Buchmessen-Berichterstattung. Alles ist programmierbar. Bots – die Kurzformel für den englischen Begriff Robot – manipulieren nicht nur in den Netzwerken. Sie erobern nun auch klassische Felder des Journalismus. Gibt es noch Rettung auf der Reise in die Schöne Neue Welt? Unbedingt. Maschinen kennen keine Emotionen. Weder Glücksmomente noch Phasen totaler Verzweiflung. Momente, in denen wirklich große Texte entstehen. Bots sind exakt so gut wie sie programmiert werden.

 

Dieser Text ist Menschengemacht. 100 Prozent. Ehrenwort!

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Der große Deal

Deals zu machen ist in. Donald Trump lebt das Big Business vor. Beim Deal gewinnt der eine, der andere verliert. Wie herrlich altmodisch war da Ludwig Erhard. Einst konservativer Kanzler mit Zigarre. Vater des westdeutschen Wirtschaftswunders. Verfechter der Sozialen Marktwirtschaft. Sein Motto: Wohlstand für alle. Für den CDU-Mann war der Kompromiss das Wesen einer Demokratie. Ein gelungener Deal bedeute, dass beide Seiten am Ende glauben, das größere Stück vom Kuchen abbekommen zu haben.

 

Dr. Ludwig Erhard „Wohlstand für Alle“. 1957.  Quelle: Bundesarchiv

 

Wenn heute nach Gründen der Demokratieferne und -Müdigkeit der Ostdeutschen gefragt wird, muss an den großen Deal der neunziger Jahre erinnert werden. Das Prinzip Rückgabe vor Entschädigung war ein genetischer Fehler der Einheit. Eine Vorkriegs-Urkunde zählte mehr als jahrzehntelanger Besitz. Über 2,2 Millionen Rückgabeforderungen auf Wohn- und Wochenendgrundstücke wurden eingereicht und zum allergrößten Teil realisiert. Zwischen 1990 und 1991 verloren rund 2,5 Millionen Ostdeutsche ihren Arbeitsplatz. Zu keinem anderen Zeitpunkt in der deutschen Nachkriegsgeschichte verloren so viele Menschen Jobs und ihre alte Heimat.

Gelernte DDR-Bürger hatten viele Fähigkeiten. Das wichtigste Talent: Aus Nichts das Beste machen. Sie konnten Leitungen unter Putz legen, Geräte reparieren, Rohre verlegen. Sie hatten jedoch nicht gelernt, in Konkurrenzsystemen Karriere zu machen. Viele der Generation 40plus gingen folgerichtig einfach unter. Das DDR-System hatte stets verlangt, still zu sein. Der Westen verlangte nun, schrill zu sein. Jeder soll zuerst an sich denken, dann ist am Ende an alle gedacht. Der (neoliberale) Schlachtruf der letzten Jahrzehnte.

 

„Changes everything“. Seit 1914 auf jedem Fünf-Dollar-Schein. US-Präsident Abraham Lincoln. Gesehen in Berlin-Mitte.

 

Betriebe wurden geschlossen, Büros geleert, Biografien abgewickelt. Viele der Abgehängten zogen sich beleidigt zurück, wurden empfänglich für einfache Wahrheiten. Sie folgten Gruppen, die von einem Deutschland in den Grenzen von 1937 träumten. In den neunziger Jahren entschied häufig der Zufall, ob jemand Neonazi, Manager, Trinker oder Scientologe wurde. Es war nur eine Frage, wer als erster über den Weg lief und einen mitnahm. Die Enttäuschten bildeten die Fußtruppen der Pegida-Verführer. Heute sehnen sich unzählige Menschen nach Ordnung, Übersichtlichkeit und Heimat.

 

Gewitter über dem Land.

 

Was lernen wir aus der Geschichte? Wenig bis nichts, dämmert uns. Ein Gedanke, der unangenehm die Beine hochkriecht. Erich Kästner formulierte einmal scharfsinnig: „Immer wieder kommen neue Maler, die die Wände neu anstreichen. Es ist immer eine andere Farbe, aber immer dieselbe Wand.“ Es ist ärgerlich, dass es Diktaturen gibt. Aber noch ärgerlicher ist, dass immer wieder von neuem jede Menge Menschen mitmachen. Viele davon sind sogar äußerst intelligent.

Ludwig Erhard. Vor 120 Jahren geboren. Vor genau sechzig Jahren schrieb er den Klassiker „Wohlstand für alle“. (1957). Auf den Mann mit der Zigarre steht auch Sahra Wagenknecht.

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Da wächst Gras drüber

Hof und Haus, Stall und Scheune wurden gesprengt oder abgetragen. Abgeräumt und eingeebnet. Ganze Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht. Über fünfzig Siedlungen ereilte dieses Schicksal. Mitten in Deutschland. Das Schicksal dieser Dörfer? Sie standen dem Kalten Krieg im Wege. Die Grenztruppen brauchten freies Schussfeld. Die Kommandos wüteten ab den frühen fünfziger bis in die späten achtziger Jahre. So verschwanden jahrhundertealte menschliche Ansiedlungen für immer.

 

Groß Grabenstedt. Kreis Salzwedel (Sachsen-Anhalt). Erstmals erwähnt 1291, gewüstet 1986. Foto: Anne Heinlein/Göran Gnaudschun

 

Wüstungen heißt ein ambitioniertes Ausstellungs- und Dokumentationsprojekt der beiden Potsdamer Fotografen Anne Heinlein (Jahrgang 1977) und Göran Gnaudschun (1971). Sie reisten viele Jahre buchstäblich ans Ende der Welt. Die Fotografen suchten und fanden Spuren einer untergegangenen Welt. Grenzdörfer, die verschwinden mussten, um „Angriffe auf die Staatsgrenze“ verhindern zu können. Störfaktoren und Verstecke mussten beseitigt, „Republikflucht“ unmöglich gemacht werden. Doch selbst das Planieren zahlreicher Dörfer im Grenzgebiet konnte die Fluchtwelle nie wirklich stoppen. In Nordwest-Mecklenburg stiegen 1988, im Jahr vor dem Mauerfall,  die Fluchtversuche sprunghaft an. Um 180 Prozent wie ein Bericht der Grenztruppen beunruhigt festhält.

 

Schmerbach. Kreis Schmalkalden-Meiningen. 1562 erstmals erwähnt. 1974 eingeebnet. Foto: BSTU

 

Jahrelang blutete die Republik aus. An ihren Rändern, im Grenzgebiet zum kapitalistischen Westen, verschwand still, heimlich und leise eine Ortschaft nach der anderen von der Landkarte. So wurden systematisch gewüstet: Bardowiek (Selmsdorf), Lankow (bei Mustin), Lenschow und Wahlstorf (Lüdersdorf), Neuhof (Gadebusch), Neu Zweedorf, Wendisch Lieps Billmuthausen, Erlebach, Leitenhausen, Dornholz, Groß Grabenstedt, Jahrsau, Stresow, Kaulsroth, Liebau, Korberoth, Schmerbach, Ruppers, Stresow, Taubenthal bei Falken, Vorwerk Karneberg, Gut Greifenstein, Rittergut Keudelstein, Stöckigt, Troschenreuth, Christiansgrün bei Tettau und weitere Dörfer.

 

Verblasste Erinnerungen. Orte, die verschwunden sind. Momentaufnahmen einer untergegangenen Welt.

 

Orte, die keiner mehr kennt. Es ist das Verdienst der Fotografen Heinlein und Gnaudschun sie wieder ins Gedächtnis gerufen zu haben. Collageartig halten die beiden Potsdamer untergegangenes Dorfleben fest. Alte Aufnahmen zeigen unbeschwerten Ringelreihen-Tanz oder Hofschlachtung.

Die heutigen Bilder der geschleiften Orte hingegen offenbaren verwunschene Naturparadiese. Erst mit dem Wissen um ihre Geschichte erhalten sie ihre eigentliche Bedeutung wieder. Wüstungen hatte es in der Menschheitsgeschichte immer gegeben. Im Dreißigjährigen Krieg waren ganze Regionen verwüstet worden. In allen Zeiten mussten ganze Dörfer Truppenübungsplätzen oder Braunkohlerevieren weichen.

 

Zur Ausstellung erscheint das gleichnamige Buch „Wüstungen“ im Distanz-Verlag. Berlin, 2017.

 

An der einstigen innerdeutschen Grenze verloren Tausende Menschen ihre Heimat. Dörfer und Siedlungen wurden im Namen einer Fortschrittsidee geopfert. Ironie der Geschichte: Der Schutzwall, der den Sozialismus vor dem Kapitalismus bewahren sollte, wurde nach seiner Überwindung binnen kürzester Zeit selbst zur Wüstung. Nun überzieht ein grünes Band die Wunde des Kalten Krieges. Auch wenn Orte wie Groß Grabenstedt oder Schmerbach mit ihrem Untergang bezahlen mussten.

 

„Wüstungen – Geschleifte Orte an der innerdeutschen Grenze“. Haus am Kleistpark, Berlin. Bis 5. März 2017. Eine sehenswerte Ausstellung.