Sommer 1944. Haftanstalt Tegel Dietrich Bonhoeffer.

Von guten Mächten

„Gefangener Bonhoeffer, fertig machen, mitkommen!“ Am frühen Morgen des 9. April 1945 muss sich der Delinquent nackt ausziehen. Tod durch Strang, lautet das Urteil, auf persönlichen Befehl des „Führers“. Im Hinrichtungshof des bayrischen Konzentrationslagers Flossenbürg ist in der Ferne bereits der Geschützdonner der heranrückenden 3. US-Army zu hören. Der Gefangene Dietrich Bonhoeffer, Theologe, 39 Jahre alt, ist auf seinem letzten Weg. Verurteilt von einem Standgericht ohne Verteidigung, Zeugenanhörung, Gerichtsprotokoll. Die letzten Minuten. Ein qualvoller Tod. Die Hinrichtung soll sich in „einer abstoßender Szene“ vollzogen haben. Seine letzte Worte: „Das ist das Ende. Für mich aber der Beginn des Lebens“.

 

Ulrich Tukur spielt Dietrich Bonhoeffer. Die letzte Stufe. (2000)

 

Nur wenige Menschen haben ihr Leben so konsequent in den Dienst ihrer Überzeugung gestellt – und ihres Glaubens. Bonhoeffer, Sohn einer großbürgerlichen Breslauer Arztfamilie, nahm seinen Glauben ernst. Er lebte ihn, sah 1933 die Pflicht den mörderischen NS-Wahnsinn zu stoppen, „dem Rad selbst in die Speichen zu fallen“, wie er ausführte. Er spürte: Beten alleine reicht nicht mehr. So unterstützte er aktiv die Widerstandsgruppe um Abwehrchef Admiral Canaris und den Juristen Hans von Dohnanyi. Der Pfarrer wusste vom Attentat am 20. Juli 1944. Für seine Haltung nahm er alle Konsequenzen in Kauf.

Am 5. April 1943 verhafteten ihn die Nazis wegen „Wehrkraftzersetzung“. Zuerst wurde er in Tegel inhaftiert, ab Ende Oktober 1944 im Keller des Gestapo-Hauptquartiers in der Prinz-Albrecht-Straße – als persönlicher Gefangener Hitlers. Am 19. Dezember 1944, wenige Tage vor Weihnachten, schrieb er einen Brief an seine zwanzigjährige Verlobte Maria von Wedemeyer. Darin enthalten ein Gedicht, das sein Leben in wenigen Zeilen auf den Punkt bringt. Von guten Mächten wunderbar geborgen…

 

„Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.

Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern,
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,

so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.“

 

„Von guten Mächten“. Auszug Brief Dietrich Bonhoeffers an seine Verlobte Maria von Wedemeyer vom 19. Dezember 1944.

 

Maria schrieb das Gedicht ab, um es vor den Häschern in Sicherheit zu bringen. Sie antwortete: „Deine Worte sind wie eine offene Hand, die ich anfassen und an der ich mich festhalten kann.“ Bonhoeffer, so seine Weggefährten, sei kein weltfremder Frömmler gewesen. Im Gegenteil. Er habe mitten im Leben gestanden.

Für mich ist er ein Vorbild, obwohl ich nicht weiß, ob ich jemals seinen Mut teilen könnte. Das Glück meiner Nachkriegs-Generation ist, dass uns solche Prüfungen bisher erspart geblieben sind.

 

 

Hinrichtungsstätte KZ Flossenbürg/Oberpfalz. Heute Gedenk- und Lernort.

 

Noch eine bittere Pointe: SS-Hauptstandartenführer Walter Huppenkothen hatte am 8. April 1945 für kurzen Prozess gegen Pastor Bonhoeffer gesorgt. Er blieb der einzige Staatsanwalt des Dritten Reichs überhaupt, der von der bundesdeutschen Nachkriegsjustiz für seine Taten verurteilt wurde. Drei Jahre musste er verbüßen. Die anderen beteiligten Richter und Beisitzer sind nie belangt worden. Erst in den späten neunziger Jahren wurden die NS-Unrechtsurteile von Flossenbürg für null und nichtig erklärt. Familie Bonhoeffer hatte bis dahin keinen Cent Entschädigung erhalten.

 

 

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