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Glücks-Produktion

Was ist Glück? Keine Termine und leicht einen sitzen, meinte Entertainer Harald Juhnke. Prost! Für heutige Zeitgenossen sind es eher möglichst viele Likes für ihre Posts. Für fast alle Menschen aber bleiben Bäume Symbole des Glücks. Am besten vor dem Fenster, in der Straße, im Park. Auf alle Fälle mitten in der Stadt. Denn: Wir zerstören, was wir lieben: Wälder, Wiesen und wilde Rückzugsorte. Digitale Konzerne versuchen mittlerweile künstliche Oasen zu schaffen. Grün ist gut für das Marketing. Greenwashing nennt sich das.

Internetriese Amazon baut in Arlington am Rande der US-Hauptstadt Washington sein neues HQ2, Headquarter 2. Hier entsteht ein 22-stöckiges „Baumhaus“ in Form einer Doppelhelix. Der zweite Firmensitz des Megakonzerns soll zu 100 Prozent mit Sonnenenergie beheizt und gekühlt werden. Das Baumhaus wird von Parks mit einheimischen Pflanzen umgeben, so das Versprechen. Das Design sei »von der Natur durchzogen« und soll so „Wohlbefinden und Kreativität“ fördern. Der Lieferriese im neuen, zeitgemäß grünen Blättergewande.

 

 

Der Doppelhelix des Architekturbüros NBBJ soll von außen begehbar sein, auf »zwei landschaftlich gestalteten Pfaden, die spiralförmig nach oben klimmen, mit Pflanzen, die auf einer Wanderung in den Blue-Ridge-Bergen von Virginia zu finden sind«. Den Beschäftigten verspricht Amazon eine »Vielzahl« verschiedener Arbeitsplätze – »inmitten üppiger Gärten und blühender Bäume«. Die Öffentlichkeit soll keineswegs ausgesperrt bleiben. Für 2025 ist die Fertigstellung des neuen Amazon-Hauptquartiers angekündigt.

Amazon als Landschaftsgärtner? Eine schicke Öko-Zentrale als Prestigeprojekt der Besserverdienenden? So könnten wohl Anflüge von schlechtem Gewissen besser besänftigt werden, um weiter rastlos um die Welt jetten zu können. Zudem soll das Baumhaus angenehm auf das Wohlbefinden der Belegschaft wirken. So brauchen die Amazoner weder über Betriebsräte nachzudenken und können das Zusammenbrechen ganzer Branchenzweige leichter verdrängen, wie zum Beispiel den kleinen Laden um die Ecke.

 

Die neue Amazon-Zentrale in Arlington bei Washington. 2025 soll sie fertig sein.

 

Amazon scheint erkannt zu haben: Bäume bringen Rendite. Bäume machen glücklich. Architekt und Vordenker Friedensreich Hundertwasser (1928-2000) erklärte einmal, warum und wodurch Bäume so wertvoll sind: „Mit Sauerstoff, durch seine Staubschluckkapazität, als Anti-Lärmmaschine durch Erzeugung von Ruhe, durch Giftvertilgung, durch Reinigung des verseuchten Regenwassers, als Produzent des Glücks und der Gesundheit, als Schmetterlingsbringer und durch Schönheit und mit vielen anderen Valuten.“ Die einfache Erkenntnis: Ohne Bäume kein Leben. Kein Sauerstoff. Keine Zukunft. Eine einhundertjährige Buche gibt innerhalb von einer Stunde so viel Sauerstoff ab, wie fünfzig Menschen zum Atmen brauchen.

 

Vordenker einer „Baumpflicht“ und weit seiner Zeit voraus. Friedrich Stowasser alias Friedensreich Hundertwasser Regentag Dunkelbunt. (1928-2000)

 

Wer mehr über Baumhäuser und Green Building erfahren will, kann ein virtueller Rundgang empfohlen werden. Mehr geht ja gerade nicht. Einfach grün. Greening the city heißt eine Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt. Wieder zu begehen, sobald die grassierende Krankheit der Moderne, die Covid-Pandemie es zulässt. Merke: Wirklich reich ist nicht derjenige, der viel hat sondern der wenig braucht.

 

Hotel Therme Rogner Bad Blumau in der Steiermark, Österreich. Ein Hundertwasser-Haus. (1993-1997)

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