London. Januar 1945. Ein Waisenkind. Foto: Toni Frisell

„Nur wer nicht geliebt wird, hasst“

Propaganda ist die Kunst, andere von etwas zu überzeugen, was man selbst nicht glaubt“. Ein Gedanke von Abba Eban, dem einstigen hochgebildeten israelischen Diplomaten. Der deutsche Experte für „Volksaufklärung und Propaganda“, der promovierte Germanist und gläubige Antisemit Dr. Paul Joseph Goebbels, brachte es auf eine ähnliche Formel: „Das ist das Geheimnis der Propaganda; den, den die Propaganda fassen will, ganz mit den Ideen der Propaganda zu durchtränken, ohne dass er überhaupt merkt, dass er durchtränkt wird“. Derzeit erlebt die Welt das Comeback der klassischen Propaganda des 20. Jahrhunderts. Putins Kriegskampagne folgt im Kern der Lenin`schen Revolutionstheorie. Propaganda heißt demnach: „Aufklärung, Agitation und Organisation der Massen.“ Gleichgeschaltete Medien verwandeln einen Angriffskrieg in eine „Militär-Spezialoperation“. Und ein Brudervolk in ein Naziland, dass befreit werden muss.

Das Tragische: Die Putin-Propaganda verfängt. Sie hat Erfolg. In diesem Sinne erzielt das PR-Dauerfeuer tödliche Wirkung. In der Tat können Worte verbrecherischer sein als ein einfacher Mord, weil verbrecherische Worte Taten vervielfachen lassen können. Wenn Lügen und geschickte Verdrehungen eine Massenpsychose mobilisieren, stellen sie die Grundlagen der Menschlichkeit in Frage. Die Kriegsverbrechen von Butscha, Borodjanka, Mariupol oder Tschernihiw sind logische Konsequenz. Mitten im aufgeklärten Internet-Zeitalter erobern Echtzeit-Bilder mit explodierenden Panzern und echten Toten unsere Köpfe. Per Mausklick.

 

Mai 1945. In der Nähe von Berlin. Damals kamen sie als Befreier und Sieger der Geschichte. Russen im besiegten Deutschland. Foto: Valery Faminsky

 

Der Zentralangriff auf unsere Psyche bleibt die Verführung durch Desinformation. Mit Hilfe perfider Propaganda konnte zum Beispiel Hassprediger Dr. Goebbels ein kultiviertes Volk wie die Deutschen in die „Endlösung“ und den „totalen Krieg“ führen, bis zum totalen Untergang. Die große Mehrheit des deutschen Volkes hat an Hitler im gleichen Maße geglaubt, wie es diese Tatsache nach dem 8. Mai 1945 energisch geleugnet oder verdrängt hat. Heutzutage sollten wir hellwach sein und sogenannte „einfache Wahrheiten“ oder „Lösungen“ besser drei- als zweimal hinterfragen. Putin hat Europa in dieses Dilemma geführt. Er stellt die Gewissensfrage: Krieg führen mit immer härteren Waffen oder sich lavierend heraushalten?

London. Januar 1945. Ein Waisenkind nach dem Einschlag einer V2-Rakete. Wiederholt sich Geschichte doch? Foto: Toni Frisell

 

Auf dem Höhepunkt der Hitler-Herrschaft kam Charlie Chaplins erster Tonfilm in die Kinos. Die Verwechslungsgeschichte „Der große Diktator“ erzählt vom kleinen Friseur Anton Hynkel und dem großen Diktator Hinkel. Chaplins bitter-böse Parodie traf den Nerv der Zeit. Er siedelte den Plot im Tomanischen Reich an. Mit dabei sind Gorbitsch-Goebbels und der dicke Hering-Göring. Diktator Hinkel benutzt sein Lieblings-Schimpfwort Schtonk. „Demokratie ist Schtonk! Free Sprecken ist Schtonk!“ Die bewegende Schlussrede im Film hält der falsche Hitler, der kleine jüdische Friseur Hynkel. „Nur wer nicht geliebt wird, hasst“, erklärt er. Erst 1958, dreizehn Jahre nach Kriegsende konnten die (West-)Deutschen die Hitler-Parodie in ihren Kinos sehen. Charlie Chaplin musste sich zeitlebens gegen Vorwürfe wehren, er habe Hitlers Verbrechen verharmlost: „Hätte ich von dem Grauen in den deutschen Konzentrationslagern gewusst, ich hätte ‚Der große Diktator‘ nicht machen können.“

„Der Große Diktator“ aus dem Kriegsjahr 1940 ist ein Meisterwerk gegen die Verführungskraft der Propaganda. In Putin-Zeiten aktueller denn je und genau der richtige Film zum friedlosen Osterfest 2022.

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