8. Juni 1972. Trang Bong. Napalm-Horror. Foto: Nick Ut

Kim. Das Napalm-Mädchen

8. Juni 1972. Trang Bong. Ein kleines Dorf in Südvietnam. Kim Phúc Phan Thi spielt im Hof des Restaurants ihrer Eltern. Die Neunjährige kann das Flugzeug noch hören, das die tödlichen Napalm-Bomben über ihrem Dorf abwirft. Kim rennt mit Brüdern und Cousinen um ihr Leben. Als sie vor den US-Bomben auf die Landstraße flüchten, drückt der südvietnamesische AP-Fotograf Nick Ut auf den Auslöser. Er dokumentiert das nackte, schreiende Mädchen mit weit ausgebreiteten Armen und Todesangst in den Augen. Das Bild vom „Napalm Girl“ wird rasch zum „Inbegriff des Schreckens des Vietnamkrieges“, so US-Autorin Susan Sontag. Der Fotograf erhält den Pulitzer-Preis. Kim Phúc Phan Thi überlebt und muss fortan ein Leben lang mit dreißig Prozent verbrannter Haut, heftigen Schmerzen und seelischen Qualen klarkommen.

 

Kim Phúc Phan Thi heute in Kanada. Foto: May Truong

 

„Ich habe kaum noch eine Erinnerung an den Bombenabwurf“, schreibt Kim Phúc Phan Thi zum fünfzigsten Jahrestag des Bildes, das um die Welt ging. Kim schreit „Nóng quá, nóng quá. So heiß, so heiß“. Das Furchtbare: Vor Napalm kann niemand wegrennen. Napalm haftet am Körper, egal wie schnell man rennt. Nach der Aufnahme legt Fotograf Nick die Kamera weg, hüllt Kim in eine Decke und bringt sie zum nächsten Sanitäter. Nick habe ihr Leben gerettet, sagt Kim, obwohl sie ihn lange für dieses Foto verabscheute. „Ich war nackt. Ein schreiendes Mädchen. Warum hast Du dieses Foto gemacht? Warum hast Du dieses Bild veröffentlicht, während meine Brüder und Cousinen wenigstens bekleidet waren? Ich fühlte mich hässlich und schämte mich“.

Der Napalm-Angriff veränderte Kims Leben. Sie wanderte nach Ontario in Kanada aus. Viele Jahre litt sie an Angstzuständen und Depressionen. Das weltberühmte Foto brachte ihr in den achtziger Jahren die Aufmerksamkeit von Fernsehsendern. Sie wurde als Gast in Regierungs- und Königshäuser eingeladen. „Ich wurde zu einem Symbol für den Horror des Krieges“. Schließlich gründete Kim eine Hilfsorganisation für traumatisierte Kriegskinder. Die heute 59-jährige schreibt jetzt in der New York Times: „Ich weiß, was es bedeutet, wenn dein Dorf bombardiert wird. Leider hat sich nichts geändert. Wieder gibt es tote Kinder in der Ukraine oder in Uvalde/Texas. Unschuldige Kinder, die niedergeschossen wurden, aus Hass und Willkür“.

 

 

„Ich trage die Spuren des Krieges an meinem Körper. Bis heute. Die seelischen Narben sieht man nicht“. Dennoch will Kim auch fünfzig Jahre nach dem Napalm-Terror in Vietnam nicht nachlassen, gegen den Wahnsinn des Krieges weltweit anzukämpfen. „Ich bin trotz aller Schwierigkeiten froh, dass Nick (Anm. der Fotograf) das Bild gemacht und veröffentlicht hat. Mein Horror wurde dadurch universal. Ich bin davon überzeugt, dass Friede, Liebe, Hoffnung und Vergebung stärker sind als jede Art von Waffen“.

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