Asya Fateyeva. Foto: Marco Borggreve

Sax und Bach

Sie steht im Mittelpunkt. Ganz in weiß. Das Ensemble der lautten compagney trägt schwarz. Das Saxofon glänzt golden, sobald Solistin Asya Fateyeva loslegt. Ein Crossover-Abend. Klassische Musik des 17. Jahrhunderts trifft auf Klassiker des 20. Jahrhunderts. Henry Purcell jammt mit den Beatles. Die Saxofonistin schenkt dem Abend Seele, Leidenschaft und Können. Das Beste: Sie spielt ihre Soli, ohne sich als Star zu inszenieren. Faszinierend. Saxofon und Klassik. Geht das? Aber klar doch, wenn Asya ihrem Messing-Gerät den nötigen Atem schenkt. Als die junge Saxofonistin mit der „Alte-Musik-Band“ den Beatles-Oldtimer „When I am 64“ anstimmt, geht ein Raunen durch das Publikum. Die Zielgruppe gluckst selig. Die Babyboomer-Generation schwelgt in Jugendzeiten. Yesterday. Ach, wie schön!

 

 

Asya Fateyeva (*1990), Tochter eines Profifußballers, wächst in Kertsch am östlichsten Zipfel der Krim auf. Ihre Kindheit riecht nach feuchter Salzluft, sagt sie. Mit sechs lernt sie Klavier, dann bringt der Vater ein Saxofon mit nach Hause. „Ich glaube, ich war neun Jahre alt. Ich kann mich gut an den Koffer erinnern. Er war aus blauem Samt, das Saxofon silbern. Er hat sich dann in eine Ecke gestellt, gegen die Wand, um zu üben. Wenn man so spielt, glaubt man, man klingt fantastisch. Die Resonanz ist enorm. Man hat es nicht nur in der Wohnung, sondern im ganzen Haus gehört. Aber beschwert hat sich keiner.“ Asya lernt das Instrument, pendelt zwischen Moskau und der Krim. Sie belegt Kurse am renommierten Gnessin-Institut in Moskau, später im französischen Gap. 2004 zieht die Familie nach Hamburg. Für Asya mit vierzehn Jahren ein Neuanfang.

 

 

Doch ihre Welt ist die Musik. Ihre Heimat das Saxofon: “Musik ist nicht einem einzigen Instrument vorbehalten!” Als klassische Saxofonistin ist sie eine doppelte Außenseiterin. Als Frau mit einem eher typisch männlichen Instrument. Dazu das Vorurteil: Klassisches Sax – geht gar nicht! Der taz sagte sie 2016: „Ich habe noch immer diesen Komplex, dass ich nicht richtig dazugehöre. Dass die anderen hochnäsig auf mein Instrument herabschauen würden. Man kennt diese Zeichnung aus der Nazizeit: Ein Schwarzer spielt Saxofon, davor der Schriftzug „ent-artete Musik“. Sowohl im Dritten Reich als auch in der Sowjetunion war Jazz verboten. Und damit auch das Saxofon. Man hat immer noch diese Vorurteile. Man vergisst leider den Ursprung des Instruments: Mitte des 19. Jahrhunderts, Hochromantik, von dem Belgier Adolphe Sax in Paris patentiert. Es ist wichtig, dass die Leute hören, was das Saxofon kann.“

Asya gewinnt als erste Frau den Internationalen Adolphe Sax-Preis. Der Belgier Sax hatte 1846 seine Erfindung in Paris patentieren lassen. Er baute in seiner Werkstatt mehr als 20.000 Saxofone. 1894 starb er als armer Mann. In den Golden Twenties erlebt sein Saxofon den großen Durchbruch im Jazz. Asya schwärmt von den Möglichkeiten: „Auf dem Saxofon spielt man mit dem Atem. Das ist viel näher dran an einem selbst. Mit mehr Luft spielst du lauter, der Klang vibriert im Körper, man kann mit dem Klang mitleben. Wie ein Sänger.“

 

 

Mittlerweile hat die 32-jährige Künstlerin zahlreiche wichtige Preise abgeräumt. Aber ihre Leidenschaft gehört dem Experimentieren. Sax und Bach, gerne mit der Goldberg-Variation. Sax mit Kurt Weill und der Zuhälter-Ballade. Sax mit Mozart oder Chopin. Anything goes! Ihr Traum? „Selbst Musiker haben Vorurteile gegen das Saxofon und Schranken im Kopf. Wir brauchen mehr Offenheit.“ Asya Fateyeva übt täglich drei Stunden. „Minimum!“  In ihrer Wahlheimat Hamburg ist sie an den Stadtrand gezogen, weil sich Nachbarn beschwert hatten. Keine Frage: Sax ist wild. Sax ist laut. Sax hat Power. Und viel Gefühl. Das beweist jedes Konzert mit Asya Fateyeva. Oh, that Sax!

 

Asya Fateyeva. Foto: Neda Navaee.

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