Trocken wie Knäckebrot. Mark Brandenburg. Juni 2023

Oh, happy day

Als der Regen einsetzt, jubeln Mensch und Natur, Fauna und Flora. Die völlig erschöpften Feuerwehrleute im märkischen Jüterbog sind aus dem Häuschen. Hilfe von oben gegen tagelange Waldbrände. Selbst in Berlin war der beißende Rauch  in den südlichen Randbezirken zu schmecken, ähnlich wie die gelbtrübe Rauchglocke über New York, die gespeist aus den Wäldern Kanadas zum Big Apple geweht wurde. In Kanada brennt es weiter. In Deutschland hatte einmal mehr ein stabiles Hochdruckgebiet wochenlang das Land im Griff. Die Erde ist Anfang Juni ausgetrocknet und mürbe wie Knäckebrot. Verkehrte Welt. Früher sehnte man sich nach dem nächsten Sonnenstrahl, heute checken viele ihre Wetterapp, ob es vielleicht mal wieder regnen könnte.

Ein deutscher Hotspot des Klimawandels ist Brandenburg, doch an der Spitze liegt die Region um Würzburg. Dort herrscht mittlerweile ein ähnliches Klima wie in Bordeaux. Die Erwärmung steigerte sich in den letzten Jahren um +5 Grad im Schnitt. Die dort liegende Bergtheimer Mulde (Unterfranken) ist eine der trockensten Regionen Deutschlands, die „Steppe Bayerns“. „Wir sind auf dem besten Weg zum Grundwassernotstand“, klagt der bayrische Umweltminister. Söders Freistaat erhebt dennoch keinen Wassercent. Noch kommt das kostbare Gut zuverlässig aus dem Wasserhahn.

 

Calvary Church. Inverness/Florida. Mai 2023

 

Wie wäre es mit einem Regentanz? Mit Singen und Beten für Regen? In vielen Ländern der Erde werden täglich Stoßgebete gen Himmel geschickt. 2.2 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die „Sonne versengt Menschen mit großer Hitze“, heißt es in der Offenbarung von Johannes im Neuen Testament. „Flüsse und Quellen werden zu Blut“, so steht es über die Sieben Plagen der Endzeit. Als ich vor einiger Zeit einer Sonntagsmesse in der Calvary Church, einer eher liberalen US-Kirche in Florida beiwohnen durfte, fielen kräftige Worte über die Sünden der Menschheit. Kriege, Verbrechen, Drogen, Machtmissbrauch und Zerstörung unseres Planeten. Doch die Atmosphäre war anders als auf deutschen Kirchentagen. Die Calvary-Gemeinde pflegt das Motto: Komm-wie-du-bist. Die eher junge Gemeinde sang, tanzte und tobte durch den Saal, als stünden Tina Turner, Beyoncé und Aretha Franklin gemeinsam auf der Bühne, begleitet von Ray Charles am Piano und Louis Armstrong an der Trompete. Ein Gospel nach dem anderen. Oh, when s the saints go marching in…

 

 

Oh, Happy day! Gospel-Songs zielen auf Herz, Seele und Gefühl. Wann ist der Mensch glücklich? – Beim Singen, antwortetet die Priesterin in Florida. Daher ein paar Klassiker. Eine kleine Auswahl möchte ich gerne vorstellen.

Rock of Ages ist vermutlich einer der ältesten Gospel-Songs überhaupt. Das Volkslied stammt aus dem Jahr 1762, und wurde von Reverend Augustus M. Toplady geschrieben. Angeblich wurde der Pastor zu diesem Lied inspiriert, als er während eines Sturms Zuflucht unter einem großen Felsen fand. Der Song ist in viele Sprachen übersetzt worden, im Deutschen heißt er „Fels der Ewigkeit“. Im Video von 2016 ist Aretha Franklin zu hören, eine seltene Aufnahme aus der Baptistengemeinde ihrer Heimatstadt Detroit, entstanden kurz vor ihrem Tod.

 

 

Wie mit viel Hingabe, Fröhlichkeit und Leidenschaft die „Queen of Soul“ Aretha Franklin verabschiedet wurde, zeigt ein Ausschnitt mit Stevie Wonders Abschiedssong, gespielt auf ihrer Trauerfeier am 1. September 2018 in Detroit. Für den blinden Pianisten Wonder gibt es in Sachen Blues, Gospel und Spirituals keine zwei Meinungen. Sie sind für ihn die Quelle, aus der Menschen schöpfen können. Ohne Musik ist das Leben ein Irrtum. Vielleicht hilft ein gemeinsamer Gospel-Song, die Erde zu heilen. Und vielleicht folgt darauf Regen und Sonnenschein.

 

https://youtu.be/sYmiB1WVN50

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