Zeit für Kultur?
Es ist gerade einmal zwei Jahre her: Da erhielt Kulturzeit den Deutschen Fernsehpreis. Das Kulturmagazin auf 3Sat wurde in der Kategorie „beste Information“ ausgezeichnet. Auswahl, Themen und Vielfalt überzeugten die Jury. Eine große Freude für das kleine Kulturmagazin. Täglich erreicht das Redaktionsteam mit Sitz in Mainz mehrere Hunderttausend Zuschauer. Zu sehen sind Trends und Tipps genau wie Innovatives, Überraschendes und Kontroverses aus Gesellschaft, Kunst und Kultur. Der Anspruch der Macher ist groß, der Etat bescheiden.
Die Fakten: Kulturzeit sendet seit 1995 im Rahmen des Kultur- und Wissenschaftskanals 3Sat, dessen Marktanteil insgesamt bei 1,6% im letzten Jahr lag. Für das Dreiländerprogramm (Deutschland, Schweiz, Österreich) stehen 92 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Diese Summe reicht übrigens heutzutage nicht einmal mehr für die Übertragungsrechte eines einzigen Champions-League-Finales. Exakt zwei Cent pro Gebührenzahler gehen jeden Monat an 3Sat. Die Rundfunkgebühren liegen derzeit bei insgesamt 18,36,- Euro/Monat. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten muss gespart werden, das liegt auf der Hand. Weniger Sender und Programme ist das Ziel der Politik. Nach dem Reformpaket der Ministerpräsidenten der Bundesländer soll 3Sat abgeschafft werden. Teile könnten mit dem Kulturkanal ARTE fusionieren. Zudem sollen weitere TV-Spartenkanäle und 16 Radiowellen eingestellt werden.
„3Sat steht seit vierzig Jahren für anspruchsvollen Journalismus. Kunst, Kultur und Wissenschaften haben hier ihre Heimat“, heißt es in einer Petition zum Erhalt des Senders. Binnen weniger Tage haben mehr als 130.000 Menschen die Protest-Resolution unterzeichnet. Zudem gingen rund 15.000 schriftliche Stellungnahmen und Kommentare bei der Rundfunkkommission ein. Die Zeit drängt. Bereits Ende Oktober 2024 wollen die sechzehn Bundesländer das Sparpaket verabschieden und im kommenden Jahr umsetzen. Während der Deutsche Kulturrat „katastrophale Auswirkungen auf das Kulturleben“ befürchtet und sich Elke Heidenreich über „diese Idioten beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ empört, heißt es im Reformpapier: Das Angebot solle im Kern qualitativ gestärkt, die Menge quantitativ begrenzt werden. Kritiker wie Medienjournalist Stefan Niggemeier betonen zudem, 3sat sei eine „Abspielfläche für Wiederholungen“, ein Programm für „alte Naturdokus ohne Ende“. Hinzu kämen viele Zweitausstrahlungen – dazu genüge eine Mediathek.
Weniger ist mehr? Das ist möglich. Aber mit Kulturzeit die einzige tägliche Kultursendung im deutschen Fernsehen abzuschaffen, erscheint absurd. Ist es schon zu spät? Keineswegs. Kultur kann kreative Kräfte freisetzen. Wo bleibt also das Positive in der aufgeregten Debatte? Dazu vier Zeilen von Erich Kästner.
„Vergesst in keinem Falle,
auch dann nicht, wenn vieles mißlingt:
Die Gescheiten werden nicht alle!
(So unwahrscheinlich alles klingt.)“
Transparenzhinweis: der Autor dieser Zeilen hat lange und gerne für Kulturzeit gearbeitet. Er hofft, dass diese kleine Perle des deutschen Fernsehens weiter glänzen kann.