Archive for : Oktober, 2024

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Zeit für Kultur?

Es ist gerade einmal zwei Jahre her: Da erhielt Kulturzeit den Deutschen Fernsehpreis. Das Kulturmagazin auf 3Sat wurde in der Kategorie „beste Information“ ausgezeichnet. Auswahl, Themen und Vielfalt überzeugten die Jury. Eine große Freude für das kleine Kulturmagazin. Täglich erreicht das Redaktionsteam mit Sitz in Mainz mehrere Hunderttausend Zuschauer. Zu sehen sind Trends und Tipps genau wie Innovatives, Überraschendes und Kontroverses aus Gesellschaft, Kunst und Kultur. Der Anspruch der Macher ist groß, der Etat bescheiden.

 

Deutscher Fernsehpreis 2022 für „Kulturzeit“. Die Moderatorinnen Lillian Moschen, Cécile Schortmann und Vivian Perkovic. Quelle: 3Sat

 

Die Fakten: Kulturzeit sendet seit 1995 im Rahmen des Kultur- und Wissenschaftskanals 3Sat, dessen Marktanteil insgesamt bei 1,6% im letzten Jahr lag. Für das Dreiländerprogramm (Deutschland, Schweiz, Österreich) stehen 92 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Diese Summe reicht übrigens heutzutage nicht einmal mehr für die Übertragungsrechte eines einzigen Champions-League-Finales. Exakt zwei Cent pro Gebührenzahler gehen jeden Monat an 3Sat. Die Rundfunkgebühren liegen derzeit bei insgesamt 18,36,- Euro/Monat. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten muss gespart werden, das liegt auf der Hand. Weniger Sender und Programme ist das Ziel der Politik. Nach dem Reformpaket der Ministerpräsidenten der Bundesländer soll 3Sat abgeschafft werden. Teile könnten mit dem Kulturkanal ARTE fusionieren. Zudem sollen weitere TV-Spartenkanäle und 16 Radiowellen eingestellt werden.

„3Sat steht seit vierzig Jahren für anspruchsvollen Journalismus. Kunst, Kultur und Wissenschaften haben hier ihre Heimat“, heißt es in einer Petition zum Erhalt des Senders. Binnen weniger Tage haben mehr als 130.000 Menschen die Protest-Resolution unterzeichnet. Zudem gingen rund 15.000 schriftliche Stellungnahmen und Kommentare bei der Rundfunkkommission ein. Die Zeit drängt. Bereits Ende Oktober 2024 wollen die sechzehn Bundesländer das Sparpaket verabschieden und im kommenden Jahr umsetzen. Während der Deutsche Kulturrat „katastrophale Auswirkungen auf das Kulturleben“ befürchtet und sich Elke Heidenreich über „diese Idioten beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ empört, heißt es im Reformpapier: Das Angebot solle im Kern qualitativ gestärkt, die Menge quantitativ begrenzt werden. Kritiker wie Medienjournalist Stefan Niggemeier betonen zudem, 3sat sei eine „Abspielfläche für Wiederholungen“, ein Programm für „alte Naturdokus ohne Ende“. Hinzu kämen viele Zweitausstrahlungen – dazu genüge eine Mediathek.

 

Wer schaut noch 3Sat oder Arte? Zusammenlegung als Zukunft? Oder Streaming? Plakat gesehen in Berlin-Lichtenrade.

 

Weniger ist mehr? Das ist möglich. Aber mit Kulturzeit die einzige tägliche Kultursendung im deutschen Fernsehen abzuschaffen, erscheint absurd. Ist es schon zu spät? Keineswegs. Kultur kann kreative Kräfte freisetzen. Wo bleibt also das Positive in der aufgeregten Debatte? Dazu vier Zeilen von Erich Kästner.

„Vergesst in keinem Falle,

auch dann nicht, wenn vieles mißlingt:

Die Gescheiten werden nicht alle!

(So unwahrscheinlich alles klingt.)“

 

Transparenzhinweis: der Autor dieser Zeilen hat lange und gerne für Kulturzeit gearbeitet. Er hofft, dass diese kleine Perle des deutschen Fernsehens weiter glänzen kann.

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Darf ich bitten?

Seine Figuren sind üppig, voller Hingabe und stehen auf wunderbare Weise mitten im Leben. Es macht Freude, ihnen beim Sonntagstanz zuzuschauen. Wie sich die Paare festhalten, drehen und im Rhythmus der Melodien wiegen. Wie ihre Gedanken in die Ferne schweifen oder für Momente in bessere Welten verlieren. Der polnische Maler Andrzej Umiastowski hat ein Händchen für Stärken und Schwächen seiner Mitmenschen. Selbst dann, wenn sie beim eher stillen Schach am Ende matt sind, verbreiten sie beim Betrachtenden ein ganz bestimmtes Gefühl: Genauso ist es. Man kommt seinen Porträtierten nahe, ohne zum Voyeur zu werden. Trotz ihrer manchmal mächtigen Leibesfülle werden die Zeitgenossen weder vorgeführt noch zur Schau gestellt. Viele seiner Bilder spiegeln die kleinen und großen Freuden der einfachen Leute – mit einem Augenzwinkern im typischen Umiastowski-Stil.

 

Schachmatt 2024.

 

Nun feiert der gebürtige Sopoter sein vierzigjähriges Künstlerjubiläum. Sopot ist ein beliebter, einst mondäner Badeort an der Ostsee dicht bei Danzig. Klaus Kinski ist hier geboren, lange blieb seine Familie jedoch nicht. Heute zieht es viele Urlauber nach Sopot. Umiastowski malt nicht nur seine Heimatstadt, die an Ahlbeck auf Usedom oder Binz auf der Insel Rügen erinnert. Er widmet sich gerne Landschaftsmotiven aus der kaschubischen Umgebung. Im Mittelpunkt seiner Arbeit stehen Menschen. In den kommunistischen Kriegsrechtjahren und in der nachfolgenden bleiernen Zeit bis 1989 waren seine Porträts eher abgewandt, grau und dunkel. Die Menschen schnappten nach Luft, wie Fische an Land, sagt der französische Maler und Weggefährte Alain Duronsoy über diese Phase.

Auch heute sind die Zeiten wieder unruhig und voller Spannungen. Polen ist ein zerrissenes Land. Politisch, gesellschaftlich, ökonomisch und sozial. Doch am Ende zählt für den polnischen Maler Andrzej Umiastowski der genaue Blick auf das, was seine Mitmenschen umtreibt. Stets verfeinert mit einer Prise Humor. Das macht seine Bilder so liebenswert.

 

Valentinstag. 2024.

 

 

Seine aktuelle Ausstellung hat den Titel „Obrazy“. Auf Deutsch übersetzt schlicht und einfach: „Bilder“. Bis zum 6. Oktober 2024 in der Panstwowa Galeria Sztuki, Sopot. Wer mehr erfahren will, hier geht es zu Andrzej Umiastowski.