Hamburg 1936. Waren alle Omas und Opas Nazis? Natürlich nicht!

„Mein Opa war Nazi“

EU-Spitzenkandidat Maximilian Krah der AfD veröffentlichte im Sommer 2023 ein Video, im dem er sinngemäß sagte: „Krieg’ mal raus, was Oma, Opa, Uroma und Uropa alles Tolles gemacht haben, denn die waren keine Verbrecher…“ Fast jeder zweite junge Deutsche zwischen 16 und 25 Jahren hat sich laut einer Umfrage noch nie mit der eigenen Familiengeschichte beschäftigt. Heute kennen wir die „Omas gegen rechts.“ Aber was ist, wenn die eigene Oma rechts war? Und der Opa Nazi? Oder der Uropa. Nicht nur Normalos, auch Prominente entdecken die Geschichte ihrer Vorfahren und Großeltern. Da gibt es dicke Überraschungen.

 

Der Uropa von Robert Habeck: SS-Brigadeführer Walter Gramzow. Drei Jahre im britischen Kriegsgefangenenlager Fallingbostel interniert. Sein Vermögen wurde eingezogen. Die Akte Walter Gramzow umfasst im Bundesarchiv 170 Seiten.

 

Robert Habeck (*1969). Vizekanzler. Sein Uropa Walter Gramzow (1887-1952) war ein verurteilter Kriegsverbrecher. Er gehörte als SS-Brigadeführer, NSDAP-Ministerpräsident in Mecklenburg-Schwerin und Reichstagsabgeordneter quasi zum inneren Führungszirkel des Hitler-Regimes. Urgroßvater Gramzow verwaltete das Gut Severin und richtete dort 1931 die Hochzeit des späteren Propagandaministers Joseph Goebbels mit Magda Quandt aus. Auch Habecks Großvater Kurt Gramzow (1912-1952) war als Obersturmführer der SA nicht nur ein einfacher Mitläufer. Habeck hat sich seiner Familiengeschichte gestellt. Als die Hamas Israel im Oktober 2023 überfiel, sagte der grüne Kanzlerkandidat: „Es war die Generation meiner Großeltern, die jüdisches Leben in Deutschland und Europa vernichten wollte.“

NS-Militärjurist, SS-Mitglied und Oberstabs-Richter Hans Weidel. Großvater von Alice Weidel.

Alice Weidel. (*1979) Kanzlerkandidatin der AfD. Ihr Großvater Hans Weidel (1903-1985) war promovierter Jurist und NS-Funktionär. 1932 Eintritt in die NSDAP, ab Januar 1933 Mitglied der SS. Im Krieg war er ab 1941 einer von dreitausend Heeresrichtern. 1943 wurde er zum Ober-Stabsrichter befördert. Er setzte NS-Recht in Warschau und anderen besetzten Gebieten durch. Nach dem Krieg arbeitete er als Rechtsanwalt in Gütersloh. Seine Enkelin Alice Weidel sagt, die habe „aufgrund familiärer Dissonanzen keinen Kontakt zum Großvater gehabt und nichts von seiner Vergangenheit gewusst“. Alice Weidel bezeichnet Hitler als Kommunisten.

Jens-Christian Wagner. (*1966) Historiker. Er gehört gleichfalls zu den sogenannten Täter-Enkelkindern. Der Direktor der Stiftung Gedenkstätten KZ Buchenwald und KZ-Mittelbau Dora hatte zwei Großväter, die beide Nazis waren. Er offenbarte das Familiengeheimnis bisher ausschließlich in Seminaren und hat „es nicht offensiv vor sich hergetragen.“

Was bleibt, ist eine einfache Sache: „Es ist nicht deine Schuld, wie die Welt ist. Es ist deine Schuld, wenn sie so bleibt.“ Dieser Songtext der Ärzte trifft den Nagel auf den Punkt. Es geht nicht um „Schuldkult“, sondern um die Geschichte der eigenen Familie. Und die sollte man kennen.

 

 

Transparenzhinweis

Mein sehr geschätzter Großvater war im Dritten Reich NSDAP-Mitglied. Ein einfacher Volksgenosse ohne Amt, wie mein Vater (*1928) stets betonte. Erfahren habe ich diese Geschichte erst lange nach seinem Tod in den achtziger Jahren. Seitdem beschäftigt mich die Frage: Was hat ihn bewogen, als Musikdirektor und Bach-Liebhaber in Hitlers Partei einzutreten?

 

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