Robert Redford. Der Clou. 1973.

Unser Robert

Interviewtermin im Luxus-Hotel Regent am Berliner Gendarmenmarkt. Ein neuer Redford-Film wird präsentiert. Genehmigt sind genau fünfzehn Minuten. Der Star macht einen sogenannten medialen Massenabwurf. PR-Interviews, um das neue Werk „Von Löwen und Lämmern“ in Europa anzuteasern. Ich bin aufgeregt. Auch, weil mich zum ersten und übrigens einzigen Mal meine Frau begleiten möchte. Natürlich nur wegen Robert. Gut! Dann machen wir das. Gegenüber der Filmfirma erkläre ich Heike zur ZDF-Praktikantin. Der kleine Schwindel fällt zunächst nicht auf. Die Lobby in der Edel-Herberge ist voll. Alle wollen Robert Redford persönlich sehen. Ach, ja: Wir schreiben Herbst 2007, das ist nun schon eine Weile her.

Als wir nach einiger Wartezeit in die erste Etage ins Separee gerufen werden, klopfen mindestens zwei Herzen. Ich muss ihm ein paar originelle Antworten ergattern, sie will ihr Idol „den Robert“ sehen. Die Tür geht auf. Der Meister sitzt entspannt am anderen Ende der Suite auf seinem Interviewstuhl. Die PR-Frau stellt uns knapp als ZDF-Producer mit Praktikantin vor. Nun schlägts alle zwölfe! Heike und ich stehen wie Schulkinder vor dem Direktor. Was soll’s! Ich lege los, erkläre, dass ich mich ehrlich machen möchte. Das sei ein besonderer Moment. Zum ersten Mal begleite mich meine Frau zu einem offiziellen Interviewtermin.

 

Mein Robert.

 

„Oh, amazing“, sagt der blonde Mann in legeren Sneakers. Socken trägt er keine, obwohl es draußen novemberkalt ist. Ja, fahre ich fort, sie sei keine Praktikantin, sondern einfach ein Riesen-Fan. Schon sehr lange. Am Abend vor der Geburt unseres ersten Sohnes hätte sie an einem der heißesten Julitage im Sommer 1986 hochschwanger Jenseits von Afrika gesehen. Sie sei in Ost-Berlin aufgewachsen, könne daher – sorry – leider nur wenig Englisch. Robert Redford lächelt sein schönstes Hollywood-Lächeln. Wow. Er steht auf, geht zielstrebig an mir vorbei und umarmt Heike herzlich. Meine Frau strahlt, als hielte sie das dritte Kind in den Armen. Ich weiß gar nicht mehr, was „der Robert“ in diesem Moment gesagt hat. Ich erinnere nur, wie die Filmfrau faucht: „Das geht alles von Ihrer Zeit ab!“

 

 

Sein Film „Von Löwen und Lämmern“ erzählt eine Geschichte aus dem Afghanistan-Krieg. Es geht um die alte Frage, wie man sich in Krisenzeiten entscheidet. Mitmachen oder raushalten? Meryl Streep und Tom Cruise sind dabei, Redford führt Regie. Und der damals 71-Jährige selbst spielt einen frustrierten Dozenten der Woodstock-Generation – ein wenig wohl sich selbst. Er vergleicht im Film das heutige Washington mit dem alten Rom. Dekadenz und Zerstörung drohen. Er fordert seine jungen Studenten auf, endlich Haltung einzunehmen.

Im Interview sagt er: „Der Satz ‚Rom brennt‘ ist ein Euphemismus und eine Anspielung auf Kaiser Nero, der fiedelte, während seine Stadt brannte. So sehen viele die gegenwärtige Regierung. (…) Der Professor, den ich spiele, versucht im Film den Leuten klarzumachen: seht ihr nicht, was hier los ist, welche Sorgen wir haben. Wir brauchen eure Stimme. Die jungen Leute sind die, die ihre Zukunft gestalten können. Es ist ein Alarmruf. Steht auf und werdet endlich aktiv, bevor Rom bis auf die Grundmauern abbrennt. Der Professor ist verzweifelt, er hat die Nase voll. Er stellt die Jugendlichen vor die Entscheidung und das tun wir mit dem Publikum auch. Denkt darüber nach!“

 

Robert Redford 2012 mit Ehefrau Sibylle Szaggars, eine gebürtige Hamburgerin.

 

Als ich das Robert-Interview nachlese, wird mir heiß und kalt. Was haben wir aus dem desaströsen Afghanistan-Abenteuer gelernt? Redford 2007 über die damalige Bush-Administration: „Wir hatten nach dem 11. September die Unterstützung und das Mitgefühl der ganzen Welt, das haben wir missbraucht.“ Und er setzt noch eins drauf: „In meinem Land eine Haltung einzunehmen heißt, eine der wunderbaren Freiheiten in Anspruch zu nehmen. Die Freiheiten, die vor zweihundert Jahren in unsere Verfassung eingebaut wurden, die aber von der jetzigen Regierung missbraucht werden. Redefreiheit, Meinungsfreiheit, die freie Debatte und das Recht zum Neinsagen.“

Der Film „Von Löwen und Lämmern“ wurde ein Flop. Zu kritisch, zu verkopft, zu wenig Herz-Schmerz, hieß es. Robert Redford hat uns in diesen Tagen für immer verlassen. Das Hotel in Berlin-Mitte ist mittlerweile geschlossen. Ich bin nicht mehr beim ZDF. Der aktuelle US-Präsident führt sich wirklich wie Kaiser Nero im alten Rom auf. Die Welt brennt. Aber ein wunderbarer Moment bleibt: Heikes Augen strahlen noch heute, wenn sie den Namen Robert Redford nur hört. Das ist doch am Ende, was zählt.

 

Bis zuletzt im Umweltschutz aktiv. Sein letzter Film. The Way of the rain. 2025.

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