Bezahlt wird nicht
„Wir singen im Atomschutzbunker – Hurra diese Welt geht unter“, intoniert die Band AnnenMayKantereit. Hurra, grölen die Fans begeistert mit, „auf den Trümmern das Paradies“. Lust am Weltuntergang? Berlin kennt sich damit aus. Vor genau einem Menschenleben gingen die Lichter am Brandenburger Tor aus. Die Party des Tausendjährigen Reichs war endgültig vorbei. Im Mai 1945. Vor exakt 72 Jahren.
Wie bizarr die Welt unterging, zeigt sich am Luxus-Hotel Adlon. Publizist und Chronist Alexander Kluge schreibt, bis zum 30. April 1945 war das Grand-Hotel „ein fast friedensmäßig ausbalancierter Hoteldampfer. Eigene Elektrizitätsversorgung. Gut bevorratet, auch dadurch, dass die Anlieferungen für die traditionelle Mittwochsgesellschaft des Auswärtigen Amtes, die nicht mehr stattfindet, noch nicht verbraucht sind“.
Vor der Drehtür des Adlon wurde bereits gekämpft und gestorben. Ein Dachstuhlbrand konnte durch das Personal und einige Gäste noch gelöscht werden. Seit Ende April stellte das Adlon keine Rechnungen mehr aus. Kluge notiert: „Der Rhythmus der Mahlzeiten über den Tag hin bleibt unverändert. Gäste aus Ungarn, Schweden, aus Österreich, das nicht mehr zu Deutschland gehört. Im Foyer und in den unteren zwei Stockwerken liegen Verwundete. Der Oberkellner ist seit 1925 im Amt. Weisungen und deren Ausführungen vollziehen sich reibungslos. Keine Nervosität.“
Am Ende diente das Adlon als Lazarett mit Weinkeller. Die Stunde Null folgte am 2. Mai 1945. Berlin kapitulierte. In dieser Nacht brannte das weitgehend unbeschädigte Gebäude aus. Im einstigen Luxus-Dampfer hatten Rotarmisten ihren Sieg gefeiert. Eine weggeworfene Kippe soll die Ursache gewesen sein. Nur ein Seitenflügel blieb stehen. Der Stummel diente bis Anfang der achtziger Jahre weiter als Hotel, zuletzt als Internat für Berufsschüler.
Seit dem Mauerbau 1961 standen die Reste des Grand-Hotels mitten im Grenzgebiet. 1984 sprengten Grenztruppen den Rest vom Adlon im Rahmen der Aktion „Verschönerung der Staats-Grenze“. 1997, vor genau zwanzig Jahren, konnte das Grand Hotel in seiner heutigen Gestalt neu eröffnet werden. Der Weinkeller ist wieder geöffnet. Und Rechnungen kommen nun pünktlich nach der Party.
Es ist wirkich zu schade, dass das alte Adlon nicht überlebt hat. Es wäre heute das einzige alte Großhotel Berlins.
Das neue Adlon kommt bei weitem nicht an die gediegene Eleganz des alten Hotels heran. Wenn heutzutage Architekten versuchen den alten Stil nachzuempfinden wirkt es immer unbeholfen, unproportioniert und irgendwie klobig, naiv und kitschig. Die Architekten verstehen ihr Handwerk halt nicht mehr. In den Hochschulen wird nur noch Raster- und Strichcodefassade an Betonwürfeln gelehrt.