Straßenmusikerin. KarinKarin

Stecker raus

Was ist, wenn der Strom ausfällt? Kein Netz, kein Gerät, kein Computer mehr funktioniert. Dann ist der moderne Zeitgenosse ausgestöpselt. Abgezogen. Außer Gefecht und Rand und Band. Auf neudeutsch Unplugged. Stecker raus. In der Musikbranche gilt dieser Moment als einzig wahrhafter. Wer kann heute im Business noch unverstärkt und ohne Sound-Computer auftreten? Wer ist noch in der Lage live zu spielen? Wer kann noch singen? Performen? Das sind die Minuten, auf die es ankommt, die zählen.

Unplugged ist seit 1989 ein Format bei MTV. „Wer hier auftritt, hat’s geschafft: ‚MTV Unplugged‚ ist der Ritterschlag für die Größten der Großen“, heißt es vollmundig. Tja. Ungeschminkt sollen und können Musiker zeigen, was sie wirklich können. Ohne elektronische Verstärker, Playback oder andere Tricks und Hilfsmittel. Paul McCartney, Eric Clapton oder Bruce Springsteen musizierten nur mit Gitarre oder Klavier, ohne wummernde Bässe oder Synthie-Klangkaskaden. Genau wie die deutschen Größen Grönemeyer, die Toten Hosen oder Udo Lindenberg. Das macht den Reiz aus. Jeder Fehler fällt auf. Spreu trennt sich vom Weizen.

Mittlerweile ist die Ära des Musikfernsehens abgelaufen. MTV, seit Ende der achtziger Jahre in Deutschland onair, schwächelt und verliert weiter an Zuschauer und Bedeutung. Viva, das deutsche Pendant, wird zum Jahresende 2018 endgültig eingestellt. Vor genau 25 Jahren hatte der deutsche Musiksender mit den Fantastischen Vier angefangen. „Zu geil für diese Welt“ hieß das Video. Nun tummeln sich Musikformate auf youtube, Itunes oder Spotify. Bis der Strom ausfällt. Dann heißt es – unplugged und live. Einfach ohne Netz und doppelten Boden.

Samy Deluxe und Max Herre. 2018.

Selah Sue Gare du Nord Paris. 2015.

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