Der Traum vom Baum
Neues zur Klimakrise. Politiker zeigen Entschlossenheit, wollen handeln. Ob in der Bundesregierung oder auf lokaler Ebene. Dort, wo Politik konkret ist. Der Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf hat in diesen Tagen den „Klimanotstand“ ausgerufen. Rot-Rot-Grün packt an. Denn: „Das Klima wartet nicht“, sagt der Sprecher der Bündnisgrünen. Was geschieht? Unzählige Papiere werden gedruckt, in Umlauf gebracht, verworfen, korrigiert, um am Ende wieder im Papierkorb zu landen. Kreislaufwirtschaft im 21. Jahrhundert.
Alle Beschlüsse vor Ort sollen künftig auf Folgen für die Umwelt überprüft werden. Auf Basis der 17 UNO-Nachhaltigkeitsziele. Das hört sich beeindruckend an – Klimarettung auf höchstem Niveau. Und die Praxis?
Tatsächlich hat der wohlsituierte Kudamm-Bezirk andere Probleme. Neue Bäume zu pflanzen ist hier schwieriger als zum Mond zu fliegen. Da das Setzen und Pflegen von Straßen-Bäumen im Kernland Preußens eine hoheitliche Aufgabe ist, passiert seit Jahren – nichts. Die Verwaltung hat keine Mitarbeiter, die sich um Bäume kümmern könnten. Der Bezirk hat seit Jahren einen Baum-Notstand. Deshalb scheitern wir seit über einem Jahr beim Versuch mehr Grün für die Stadt zu spenden. Die passende Fläche ist vorhanden, ausreichend Spendengeld vorhanden. Jeder Baum wäre ein kleiner Klimaverbesserer, heißt es. Eine Win-Win-Situation, nicht aber in Berlin.
Alle schriftlichen Anfragen um Hilfe an den zuständigen grünen Stadtrat blieben unbeantwortet. Auch seine Fraktion ignorierte mit lässiger Eleganz unsere Bürgeranfragen, ebenso das verantwortliche Grünflächenamt. Ämter und Politiker flüchten in Schockstarre. Es lebt sich heute wie in Zeiten des Absolutismus, Friedrich der Große lässt grüßen. Die Verwaltung hat Recht. Der Bürger zu funktionieren. Und muss warten.
Eine winzige Chance bleibt. Der Senat propagiert die Aktion „Stadt-Bäume für Berlin“. So will Berlin die dicke Luft in der Hauptstadt bekämpfen. Rund 60.000 Bäume seien allein in den letzten Jahren verloren gegangen. Überraschenderweise antwortete eine Senats-Mitarbeiterin (Referat Bäume) binnen vierzehn Tagen. Doch sie dampfte aufkeimende Hoffnungen zwei Zeilen später gleich wieder ein. Die praktische Umsetzung – sprich Pflanzung von Spendenbäumen – obliege dem zuständigen Bezirksamt. Endstation Baumsucht. Das war´s wohl. Munter wedelt der Schwanz mit dem Hund.
Letzter Stand: 2020 werde unsere Baumspende in der Bedarfsplanung „priorisiert“, verspricht die Frau vom Senat. Es bestehe eine gewisse Möglichkeit, dass die Lücke im nächsten Jahr geschlossen werden könne. Charlottenburg-Wilmersdorf hat ja offiziell den Klima-Notstand ausgerufenen. Per Amtsblatt und mit Aktenzeichen. Das muss reichen. Auftrag erfüllt. Gewissen beruhigt. So funktioniert Berlin.